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■ Das PortraitGiulio Carlo Argan

foto nr. 25

Foto:taz-Archiv

Für Italiens Politik bedeutete er so etwas wie ein „intellektuelles Gewissen“, ein Mahner und Querdenker, vor allem was die Gegenwärtigkeit der Vergangenheit angeht — positiv wie negativ: Giulio Carlo Argan, der am Mittwoch im Alter von 83 Jahren gestorben ist, bewältigte politische Intrigen genauso maßvoll wie er in Erfolgszeiten bescheiden blieb.

Als er 1976 Bürgermeister von Rom wurde, hatte der gebürtige Turiner eine durchs ganze Land führende Karriere hinter sich: nach seiner Promotion in Literaturwissenschaft 1933 war er zunächst Direktor zahlreicher Kunstgalerien, später Generalintendant der italienischen Museen, von 1955 bis 1979 Ordinarius für Kunstgeschichte in Palermo und dann in Rom. Seine Wahl zum Stadtoberhaupt der Metropole — an der Spitze einer Linkskoalition — leitete in vielen anderen Orten die Bestellung von Intellektuellen statt von Berufspolitikern an die Spitze lokaler Administrationen ein. Statt der üblichen Rathausverwalter stand Rom mit Argan nun ein Mann mit Visionen vor. Er blockierte megalomanische Projekte und suchte statt dessen die Umwelt der heruntergekommenen Außenquartiere wieder genießbar zu machen. Argans Stadtrat schuf auch den „Römischen Sommer“, der die Stadtflucht während der heißen Monate durch großartige Filmvorführungen vor historischen Ruinen, Straßentheater und Stadtteilfeste stoppte.

Auch nach seinem Rücktritt als Bürgermeister 1979 und seinem Einzug in den Senat 1983 (als Linksunabhängiger über die Liste der KP) blieb Argan der aufmerksame Kritiker von Fehlentwicklungen. Wenn Italien sich heute wenigstens einigermaßen bewußt ist, wieviel von seinen histiorischen Dokumenten vom Totalverfall bedroht ist, dann verdankt es das ausschließlich Argan. Sein letzter großer Aufruf galt der Rettung der weltweit größten kunsthistorischen Bibliothek im Palazzo Venezia in Rom: die — immer wieder von ihm selbst bereicherte — Sammlung unersetzlicher Schätze ist seit mehr als einem Jahrzehnt wegen Geldmangels geschlossen, zwei Drittel der Buch- und Handschriftenbestände sind bereits Mäusefraß und Schimmel zum Opfer gefallen. Die jetzige, sehr konservative Stadtregierung beeilte sich nach Bekanntwerden des Todes von Argan immerhin, Mittel für „seine“ Bibliothek bereitzustellen. Werner Raith

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