: Tropenholzabkommen in Gefahr
In Tokio streitet sich die „Internationale Tropenholzorganisation“ ITTO um eine Erweiterung des Handelsabkommens auf Europas Wälder/ Regenwaldländer gegen Nordländer ■ Aus Tokio Georg Blume
Jedes Jahr im Herbst tagt in Tokio die „Internationale Tropenholzorganisation“ (ITTO). Dann entscheiden Regierungsvertreter aus fünfzig Ländern über die Zukunft des Regenwaldes. Möglicherweise aber wird es die ITTO schon ab April 1994 nicht mehr geben. Denn kaum hatte die diesjährige ITTO-Konferenz am Montag mit den Beratungen begonnen, entbrannte hinter den Kulissen ein heftiger Streit um den Fortbestand der Organisation.
Der Streit resultiert aus einer einfachen Forderung der Förderländer von Tropenholz: sie wollen nämlich aus der „Tropenholzorganisation“ eine schlichte Holzorganisation machen. Mit anderen Worten: Die Regierungen der Regenwaldländer Malaysia, Brasilien und Indonesien fordern heute von den Industrieländern der nördlichen Hemisphäre, daß sie ihre Wälder unter die gleichen Kontrollmechanismen stellen, die inzwischen von der ITTO für die Tropenwälder eingeführt sind. Für den Fall, daß die Länder des Nordens dazu nicht bereit sind, haben sich die Tropenholzstaaten alle Möglichkeiten bis zum Austritt aus der ITTO vorbehalten.
Die ITTO ist weltweit die einzige Organisation, in der sich Liefer- und Abnehmerländer von Tropenholz unter den Augen der beteiligten Unternehmen und der Umweltverbände über den Handel mit dem kostbaren Naturgut rechtsverbindlich verständigen können – zumindest bis 31. April 1994. Dann nämlich läuft das internationale Abkommen aus, das der ITTO zugrunde liegt. Deshalb mußte sich die Konferenz schon diesmal mit der Neufassung eines Abkommens über die Tropenholzpolitik beschäftigen.
Was wäre, wenn die Nordländer ihre Wälder schützen müßten?
Europäer und Nordamerikaner haben auf den Vorschlag der Regenwaldländer in Tokio zunächst mit Empörung reagiert. Für ihre Vertreter bei der ITTO handelt es sich lediglich um ein Ablenkungsmanöver der Regenwaldländer, das für den eigentlichen Auftrag der Organisation, nämlich den kontrollierten Tropenholzhandel, nur schädlich sein kann. Tatsächlich ist es das erklärte Ziel der ITTO, bis zum Jahr 2000 jede Nutzung von Tropenholz unter die Bedingung einer nachhaltigen (das heißt sich selbst regenerierenden) Forstwirtschaft zu stellen. Was also wäre, wenn nun auch die nördlichen Wälder der Erdhalbkugel nach den Kriterien der Nachhaltigkeit bewirtschaftet werden müßten?
Genau auf diese Frage wollen sich die Industrieländer in Tokio nicht einlassen. Man würde damit nur neue, komplizierte Aufsichtsverfahren schaffen, argumentieren die europäischen ITTO-Delegierten. Zudem erfordere eine solches Abkommen langwierige Verhandlungen mit vielen Regierungen, die heute schon Mitglieder der ITTO seien. Somit würde sich die Organisation selbst gefährden, sagen die Europäer. Doch nicht alle sind da einer Meinung. Der Umweltverband „World Wildlife Fund“ (WWF) hat gestern in Tokio alle westlichen Regierungen zu einer „dringenden“ Erweiterung des Tropenholzabkommens aufgefordert. Ein WWF-Vertreter nannte die Verweigerungshaltung des Westens gegenüber den Tropenländern einen „klassischen Fall, wo einer sagt und nicht tut, was der andere tun soll“.
Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP), der gerade Tokio besucht und dessen Ministerium die ITTO-Delegation leitet, wollte sich gestern nicht zu diesen Vorwürfen äußern: „Ich bin nicht auf diesem Informationsstand und werde mich schlau machen“, versprach Möllemann vor deutschen Journalisten in Tokio.
Ein Durchbruch in den Verhandlungen wird auch heute, dem letzten offiziellen Konferenztag der ITTO, nicht erwartet. Die Gespräche über eine neues Tropenholzabkommen werden jedoch nächste Woche von einzelnen Delegationen fortgesetzt werden.
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