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Der Tanker raucht noch

Der gestrandete Tanker kann wegen hohen Seegangs nicht abgeschleppt werden/ In den umliegenden Buchten breitet sich die Ölpest aus  ■ Aus La Coruna Antje Bauer

In der galizischen Hafenstadt La Coruna stinkt es durchdringend nach Benzin. Am Rande der Stadt, weiträumig von der Polizei abgesperrt, zeigte gestern eine schwarze Rauchwolke nahe der Küste an, daß der Brand auf dem griechischen Öltanker „Aegean Sea“, der dort Donnerstag früh leckgeschlagen war, noch nicht ganz gelöscht werden konnte.

Der Tanker hatte seit mehreren Tagen in unmittelbarer Küstennähe, mit 80.000 Tonnen Leichtöl voll beladen, darauf gewartet, seine Ladung im Hafen der Stadt löschen zu können. Am Donnerstag früh um halb fünf hatte die Aegean Sea Genehmigung erhalten, in den Hafen einzufahren, als ein plötzliches Unwetter mit Winden von bis zu 90 Stundenkilometern das Schiff überraschte und es gegen Felsen schleuderte. Mehrere Stunden lang versuchten Abschleppboote bei dichtem Regen und meterhohen Wellen, das Schiff wieder flottzubekommen. Gegen zehn Uhr brach das Schiff entzwei, die anwesende Besatzung mußte von Bord springen und konnte gerettet werden. Kurz danach explodierte ein Teil der Ladung.

Die Bewohner von La Coruna sahen dreißig Meter hohe Flammen aus dem Schiff schlagen, zusammen mit einer riesigen Rauchwolke, die landeinwärts geblasen wurde. Das ausfließende Öl entzündete sich und geriet zu einer riesigen brennenden Lache. Mehr als 300 Bewohner nahe gelegener Häuser wurden evakuiert und die Schulen der Stadt geschlossen. Noch am Donnerstag wurde der Kapitän des Schiffes festgenommen, der Tankerbesatzung verboten, Spanien zu verlassen.

Während die schwarze Rauchwolke nah am Stadtrand vorbei in Richtung Südosten zog, verteilte sich die Ölpest immer weiter in Richtung der an Meeresfrüchten reichen Buchten. Am Freitag waren die ehemals weißen Sandstrände des Badeorts La Coruna mit schwarzem Schlick bedeckt, die ankommenden Wellen dunkelbraun gefärbt. Die Behörden versuchten, die Bevölkerung zu beruhigen. Das Feuer auf dem Schiff sei gelöscht, hieß es im offiziellen Pressezentrum, obwohl die schwarzen Schwaden das Gegenteil beweisen. Der Rauch sei unschädlich, versicherte der Bürgermeister von La Coruna, obwohl Umweltschutzgruppen darauf aufmerksam gemacht hatten, daß der Rauch Kohlendioxyde, Kohlenmonoxyde und krebserregende Substanzen enthält. Außerdem, so versicherte der Sprecher der Handelsmarine in La Coruna, sei es von Vorteil, daß ein Teil des Öls verbrenne, denn was verbrenne, könne nicht mehr ins Meer gelangen.

Die Möglichkeiten, die Ölpest in den Griff zu bekommen, sind gering. Die Behörden scheuen sich bislang, chemische Mittel einzusetzen, die verhindern, daß sich das Öl an der Wasseroberfläche absetzt, da diese Mittel das Wasser zusätzlich vergiften und der ohnehin schwer bedrohten Meereskultur gänzlich den Garaus machen würden. Physische Barrieren wie Netze wurden zwar von Schwimmern ausgelegt, etwa um zu verhindern, daß das Öl bis in die Bucht der nahe gelegenen Stadt El Ferrol dringt, doch aufgrund des starken Wellengangs reißen die Netze. Über zwanzig Kilometer Breite und 200 Kilometer Länge erstreckte sich nach offiziellen Angaben die Ölschicht, und noch war nicht alles Öl aus dem Tanker ausgeflossen. Erheblich beunruhigt sind vor allem Fischer und Meeresfrüchtesammler. Durch das Unglück sei die Muschelernte von mindestens zwei Jahren vernichtet, versicherten Fischer — die jetzige Ernte sowie die jungen Muscheln, die erst nächstes Jahr geerntet werden. Die Muschelsammler haben in trauriger Erinnerung, wie im Mai 1976 der spanische, mit 100.000 Tonnen Rohöl beladene Öltanker „Urquiola“ bei der Einfahrt in die Bucht von La Coruna auf Grund ging und einen Großteil seiner Fracht in die umliegenden Gewässer abließ.

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