Stadtmitte
: Universität muß Stellung nehmen

■ Zum Rechtsradikalismus darf die Universität nicht schweigen

Die Universitäten müssen vor dem Hintergrund des anwachsenden Rechtsradikalismus eine größere Rolle in der Gesellschaft spielen. Die Universitäten dürfen sich nicht raushalten. Das können sie auch gar nicht, weil wir einen so hohen AusländerInnenanteil haben. Gerade in diesen Zeiten ist es deshalb bestürzend, wenn – wie auf der Kultusministerkonferenz angekündigt – von der ZVS der Anteil der AusländerInnen in den Numerus-clausus-Fächern gesenkt werden soll.

Die Humboldt-Universität hat bereits darüber nachgedacht, was wir tun können. Das muß sich in unserer aktuellen Arbeit und in der Bewältigung unserer Vergangenheit ebenso niederschlagen wie in dem, was für die ausländischen Studierenden und MitarbeiterInnen der Universität getan werden kann. Was die Studierenden angeht, haben wir vor allem eine Aufgabe: sie zu schützen. Das betrifft auch die Frage ihrer Unterbringung. An der Humboldt-Universität sind die Studierenden in gemischten Wohnheimen untergebracht. Bedenklich ist nur, daß es in einem der Wohnheime noch immer kein Telefon gibt. Das sind die praktischen Dinge. Wir haben auch überlegt, daß jeweils ein deutscher Studierender für einen ausländischen Kommilitonen eine Art Patenschaft übernehmen kann.

Daneben müssen die Studierenden aktiv einbezogen werden. Wir haben Ende Januar eine Veranstaltung geplant, bei der die Studierenden selber auftreten werden. Am Abend soll es ein Essen mit spezifischen Gerichten aus den verschiedenen Ländern geben.

Und es sind auch die MitarbeiterInnen einzubeziehen: Wir haben ausländische ProfessorInnen, und wir haben besonders viele MitarbeiterInnen aus den östlichen Ländern.

Auch in der Forschung gibt es Aufgaben. Bedauerlicherweise ist an der Humboldt-Universität der Bereich Friedens- und Konfliktforschung aufgelöst worden. Momentan machen wir uns Gedanken um die Neuetablierung eines solchen Schwerpunktes, den wir anreichern möchten um den Bereich Extremismus-Forschung – auch wenn es schwer sein wird, dies in die Strukturen einzubauen.

Außerdem müssen die Universitäten ins Ausland gehen. Es gibt alarmierende Meldungen von Forschungsförderungsinstitutionen, etwa der Alexander-von- Humboldt-Stiftung oder der Deutschen Forschungs-Gesellschaft (DFG), daß ausländische Wissenschaftler nicht mehr nach Deutschland kommen wollen. Sie weigern sich zum Beispiel, auf einer Busfahrt in bestimmten Städten auszusteigen, die gerade in den Schlagzeilen der Zeitungen sind. So haben wir uns vorgenommen, nach Brüssel zu gehen. Dort wollen wir unsere Arbeit vorstellen und für Sympathie werben.

Der dritte Punkt: die eigene Vergangenheit. Zusammen mit unseren Historikern haben wir überlegt, im kommenden Frühjahr eine Veranstaltung über die Vertreibung jüdischer Studierender und Mitarbeiter von der Humboldt-Universität im Jahr 1933 abzuhalten. Dafür gibt es an der TU schon das Zentrum für Antisemitismus-Forschung. Ich denke, daß das noch ein dunkler Punkt in der Vergangenheit der Humboldt-Universität ist. Marlis Dürkop

Die Autorin ist Rektorin der Humboldt-Universität