■ Wer marktwirtschaftlich denkt, exportiert Sonderabfälle: Giftmüllrassismus
Wer seinen Sondermüll in Deutschland entsorgt, muß ein Dummkopf sein. Denn Abfallexport ist nicht nur billig, man kann ihn auch unbesorgt den Behörden melden. Am günstigsten ist es, wenn man in einem Bundesland produziert, wo Bürgerinitiativen oder auch Landesväter und -mütter erfolgreich Sondermüllverbrennungsanlagen verhinderten: Denn damit hat man schon den halben Stempel. Zum zweiten braucht man ein Papier, daß das Gift im Empfängerland willkommen ist – ein Papier, das um so billiger zu haben ist, je dringender das Land Devisen braucht. Auch Papiere von einer Bürgerkriegspartei in Somalia werden, wie jüngst bekannt wurde, anerkannt. Bloß sollte man sich nicht so einfältig anstellen und ein Land wählen, in dem die Regierung Protest anmeldet – wie etwa Rumänien, wo Deutschland jetzt 425 Tonnen Gift wieder abholen muß.
Ab 1994 dürfen „nichtverwertbare Abfallstoffe“ nicht mehr in die Dritte Welt verfrachtet werden – so sieht es die EG-Richtlinie vor. Aber auch das dürfte für den etwas findigen Sondermüllproduzenten kein sonderliches Hindernis werden, es sei denn, die deutschen Behörden könnten ihre MitarbeiterInnen auch vor Ort und nicht nur am Schreibtisch prüfen lassen, ob denn die Abnehmerfirma tatsächlich existiert und das Zeug nicht einfach in die Landschaft gekippt wird.
Das Interesse in Bonn, hier für personelle Verstärkung zu sorgen, ist indes nicht nur wegen der leeren Haushaltskassen als gering einzuschätzen. Die Giftmüll-Konferenz in Uruguay zeigte einmal mehr, daß das Giftmüllexport-Weltmeisterland Deutschland äußerst wenig Interesse daran hat, den hier produzierten Müll auch hier zu behalten. Wachsender Protest der BürgerInnen macht den Bau von Deponien und Verbrennungsanlagen immer schwieriger.
Die vor über drei Jahren beschlossene Basler Konvention ist hierzulande nicht ratifiziert worden; Deutschland versteckt sich hinter der EG. Die deutschen Vertreter auf der Müllkonferenz mochten sich nicht einmal der Forderung von UNEP-Direktor Tolba anschließen, der in seinem Eingangsstatement ein Exportverbot für Giftmüll aus OECD-Staaten in Nicht-OECD-Staaten gefordert hatte.
Der Giftmüllexport vorwiegend in die Dritte Welt ist eine Form des Rassismus. Denn während die deutsche Gesetzeslage die Ausfuhr von hochgiftigen Stoffen leicht macht und andernorts die Verseuchung der Menschen in Kauf nimmt, wird die ordentliche Entsorgung hierzulande – angemessenerweise – teurer. Nur eine Verstopfung des Abflusses ins Ausland aber könnte bei der Ursache des Problems, nämlich der Entstehung der Stoffe, ansetzen. Das aber ist – die Uruguaykonferenz ist der jüngste Beleg – nicht gewollt. Annette Jensen
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