: So kam der Mann zum Leder ...
■ Wie eine viel zu große Hose das Leben des passionierten Sammlers Björn Dibbelt veränderte / Menschen und Maschinen werden in Tierhäute gehüllt / Natur ist auch bei den anderen verwendeten Materialien Trumpf
Björn Dibbelt ist jemand, der nichts wegwerfen kann. So findet sich in seiner Werkstatt allerlei Krimskrams aus vergangenen Tagen. Meistens Dinge rund ums Zweirad — wie Fahrrad, Moped oder Motorrad —, aber auch alte Nähmaschinen und Werbeschilder aus der Nachkriegszeit. Diese „Sucht“ zum Sammeln hat Dibbelt schon vor Jahren gepackt: „Doch irgendwann wuchsen mir die Kosten über den Kopf“, erzählt der 34jährige. „Ich mußte mir sogar schon meine Klamotten auf dem Flohmarkt kaufen.“ Dadurch kam Björn Dibbelt an seine erste Lederhose. Ein Ereignis, das sein Leben veränderte.
„Da die Hose viel zu groß war, nähte ich sie um und machte sie enger“, berichtet er, „obwohl ich davon keine Ahnung hatte. Als ich sie nach zwei Tagen endlich fertig hatte, kaufte mir gleich ein Kumpel die Hose ab, weil er sie so toll fand. So kam ich zum Leder.“
Das ist nun bald schon 13 Jahre her. Autodidaktisch brachte sich der gelernte Tischler, der nie wieder einen Hobel anfassen will, alles bei, was man wissen muß, um Tierhäute zu verarbeiten. Vor acht Jahren eröffnete er seine Ledersattlerei „Freie Manufaktur“ (Beim Grünen Jäger 25, HH 36). Zusammen mit seinem Geschäftspartner Peter Holona fertigt er Motorradbekleidung nach Maß, näht Packtaschen und Werkzeugrollen, polstert und bezieht Sitzbänke und Autositze neu. Auch Lederverkleidungen für Oldtimer sind für die beiden Könner kein Problem. Zahlreiche Fotos von betagten Blechkisten mit neuer Inneneinrichtung zeugen davon.
Der Sommer wird auch dieses Jahr irgendwann kommen. Wer mit dem Gedanken spielt, sich eine Lederkombi zuzulegen, sollte die „Freie Manufaktur“ besuchen. „Eine maßgeschneiderte Kombi muß nicht teurer sein als eine von der Stange“, berichtet Björn Dibbelt. Eine Hose gibt's schon ab 360 Mark und eine Jacke bereits ab 560 Mark. Wobei nach oben, wie immer, keine Grenzen gesetzt sind. So kann man zwischen verschiedenen Ledersorten wählen. Auch die Farbe und die Stärke des Materials können ausgesucht werden.
Besonderen Wert legen die beiden darauf, daß sie keine Kunststoffutter für die Jacken verwenden. Ebenso benutzen sie zum Nähen ausschließlich Baumwollgarn.
Wer sich die Sitzbank seines Motorrades beziehen und polstern lassen will, ist ab 120 Mark dabei. Die Restaurierung eines Autositzes, zum Beispiel Citroen DS, schlägt allerdings mit rund 2000 Mark zu Buche. Dibbelt und Holona benutzen als nostalgische Reminiszens an das goldene Handwerk alte Maschinen. Diese sind im Schnitt um die vierzig Jahre alt. Die älteste Maschine allerding, eine Stanze, befindet sich schon über 90
1Jahre im Gebrauch.
Auf dem Hof hat Björn Dibbelt diverse alte Motorräder stehen und im Keller steht ein uralter Flipper. „Die will ich noch alle fertig machen,“ erzählt er. Bei seiner Sammelleidenschaft wird er aber wohl noch bis zur Rente warten müssen, bis er endlich Zeit dafür hat. Andrew Ruch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen