■ Ski Alpin
: Immer am Limit

Berlin (taz/dpa) – Nach den schweren Stürzen der deutschen Abfahrerinnen Michaela Gerg und Katrin Gutensohn in Cortina d'Ampezzo und der offensichtlichen Angst, die die deutschen Abfahrtsmänner in St.Anton den Berg hinunterkriechen ließ, hat die alljährliche Diskussion um Sinn und Unsinn des Abfahrtsrennsports eingesetzt. Dabei weiß jeder, was der deutsche Mannschaftsarzt Ernst-Otto Münch ausspricht: „Als vernünftiger Mensch muß man zugeben, es ist Wahnsinn, was sie tun.“ Trotzdem repariert er voller Begeisterung die gerissenen Bänder und gebrochenen Knochen der Wahnsinnigen. Gerade die Damen haben einiges aufzuholen, was lebensgefährliche Stürze und Sportinvalidität betrifft. Jahrelang durften sie nur sogenannte „Autobahnen“ hinunterschleichen, während sich ihre männlichen Kollegen die Gesundheit ruinierten. Die Frauen sind sogar froh, daß sie inzwischen ähnlich spektakulär stürzen, weil damit mehr Zuschauer kommen, sich leichter Sponsoren finden und die Preisgelder höher werden.

Einen besonders perfiden Trick, die Zuschauer zu unterhalten, dachten sich die Organisatoren in St.Anton aus. Sie gestalteten den Zielraum so eng, daß die ankommenden Läufer gleich reihenweise die Abgrenzung durchschlugen, sich aber mit viel Glück nicht verletzten. Die Abfahrten sind dieses Jahr vor allem wegen des extremen Schneemangels so schnell und schwierig zu fahren. Bei einer dickeren Schneeauflage wäre nicht jeder einzelne Buckel gleich als Welle auf der Piste zu spüren. Deshalb „bewegen wir uns in diesem Winter immer am absoluten Limit“, hat DSV-Herrentrainer Martin Oßwald erkannt.

Aber „wenn etwas entschärft wird, schreien alle Kinderabfahrt“, jammert FIS-Generalsekretär Gian- Franco Kasper über das Dilemma. Kein Spektakel, kein Geld. Viel Spektakel, vielleicht bald die nächsten Toten. Zuletzt starb 1991 der Österreicher Gernot Reinstadler in Wengen. So etwas wird bei der WM in Japan wohl nicht passieren, dazu ist die dortige Strecke zu leicht. Aber statt sich über die besseren Überlebenschancen zu freuen, wird gemeckert: „Da können Touristen mit dem Rucksack runterfahren“, teilte Leonhard Stock mit. Tatsächlich könnte der unberechenbare Wind das Rennen entscheiden, und es könnte „passieren, daß wir die ganzen zwölf Tage brauchen, um den richtigen Zeitpunkt für die Abfahrt zu finden. Der Berg ist nicht sehr hoch und sehr windanfällig“, so der Präsident der FIS, Marc Hodler.to