: Alles nur Geschäft
Ein hinterhältiges und manipulatives Verhältnis zur Kultur
Man muß die Frage nach einem Kulturboykott in den allgemeineren Zusammenhang stellen und fragen, welche Mittel man überhaupt an der Hand hat, um die Achtung von Menschenrechten durchzusetzen. Auch die Vereinten Nationen akzeptieren heute mehr und mehr kulturelle Sanktionen – wenn man schon keine ökonomischen durchsetzen kann – als Druckmaßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft gegen Länder, die in derart krasser Weise die Menschenrechte verletzen wie der Iran.
Der Wunsch der iranischen Regierung nach einem kulturellen Austausch mit Europa ist ziemlich neu, und man muß sich deshalb fragen, worum es wirklich geht. Ich denke, es geht eindeutig ums Geschäft. Wenn nämlich die internationalen Banken sehen, daß der British-Council – oder, in Ihrem Fall, das Goethe-Institut – in Teheran ein Haus eröffnet, dann signalisiert ihnen das ein bestimmtes Vertrauen europäischer Regierungen in die Stabilität der Verhältnisse im Iran. Das heißt, die Geschäftswelt kann nachziehen.
Der Iran will nicht wirklich unsere Kultur. Er findet, daß wir außer Aids und Madonna nichts zu bieten haben. Was er wirklich will, ist internationale Respektabilität. Da ist eine recht machiavellistische Strategie am Werk. Der Iran will beispielsweise auch die Unesco über den Tisch ziehen. Was sich da genau tut, weiß ich nicht, aber ich habe gehört, daß eine Delegation nach Teheran gefahren ist, angeführt vom Generaldirektor der Unesco, Frederico Mayor, und so jemand fährt nicht ziellos in der Gegend umher. Wir wissen alle, daß die Unesco in ernsten Finanzschwierigkeiten ist.
Sobald eine der UN-Organisationen mitspielt, kann der Iran das bei allen anderen UN-Foren – und besonders den Menschenrechtsforen – als Beweis seiner Respektabilität vorweisen. Es geht hier um ein ziemlich hinterhältiges und manipulatives Verhältnis zur Kultur. Im übrigen ist auch immer eine entscheidende Frage, wer das Programm solcher kulturellen Institutionen im Ausland bestimmt. Soweit ich weiß, hat die iranische Regierung darauf bestanden, daß das Programm eines Goethe-Instituts in Teheran von ihr abgesegnet werden müßte. Unter solchen Bedingungen halte ich kulturelle Beziehungen für völlig unangebracht.
Der Unterschied zum Kulturaustausch mit dem damaligen Ostblock ist unter anderem, daß die Menschenrechtslobby heute sehr viel stärker und auch politisch erfahrener ist. Wir können jetzt sagen: Wir haben Euer Spiel durchschaut, wir wissen, worum es beim Austausch kultureller Beziehungen wirklich geht, wir haben begriffen, daß es um Kommunikationswege geht, die am Ende ganz anderen Zielen dienen sollen: dem Kommerz, dem Rüstungshandel, was weiß ich ...
Was der Iran will, ist vor allem Kredit, und dafür muß er seine Stabilität beweisen. Eines der Kriterien für die Stabilität eines Landes ist die Zahl internationaler Kontakte, Austauschprogramme etc. Auch Kultur gehört dazu. Einfacher gesagt: Wenn ich als Chef der Weltbank sehe, daß der internationale Kulturaustausch eines Landes gestiegen ist, dann steigt in meinen Augen die Kreditwürdigkeit dieses Landes. Und das geht so lange, bis ich schließlich sagen kann: Okay, das Ding läuft, wir investieren. Frances de Souza
De Souza ist Direktorin der Menschenrechtsorganisation „Article 19“ (London).
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