Der Schrecken schleicht durch die Nacht

■ Eine Jack-Arnold-Filmreihe im Checkpoint

In dem von Jack Arnold 1955 inszenierten Westen „Red Sundown“ (Auf der Spur des Todes) treffen sich zwei Outlaws: „Ich habe eine Menge von Ihren Schießkünsten gehört. Sie sollen kaum zu schlagen sein!“ Mit der lakonischen Antwort „Alles nur Übung“ definiert sich der Revolverheld Alec Longmire als „Professional“: ein Mann, der sein Handwerk versteht. Diese Beschreibung trifft auch auf den Regisseur Jack Arnold zu, der sein Metier stets als „Handwerk, das man erlernen und üben muß“ charakterisierte. „Je mehr Erfahrung man hat, desto besser ist man“, äußerte er sich einst in einem Interview. Erfahrung sammelte Arnold (1916–1992) vor allem als Vertragsregisseur bei Universal International in den Fünfzigern. 15 Filme drehte er zwischen 1952 und 1959 für dieses Studio, darunter allein sechs phantastische Filme und vier Westen, zumeist B-Filme. Arnold wurde zu einem der Spezialisten für präzise erzähltes Genre- Kino. Fünf seiner phantastischen Filme, unter anderem mit „It came from Outer Space“ (Gefahr aus dem Weltall, 1953) auch Universals erste 3-D-Produktion, einen Western und einen Kriminalfilm, zeigt jetzt eine kleine Jack-Arnold- Retrospektive im Checkpoint.

„Red Sundown“ ist einer der typischen Universal-B-Western der fünfziger Jahre: die Betonung liegt stets auf Action. Gleichzeitig ist dieser Western, wie viele andere Jack-Arnold-Filme, ein Film über Kleinstädte und die dort lebenden Menschen. Dabei prägen Korruption und aufkeimender Faschismus, Engstirnigkeit und Rassismus, sowie die stetige Bereitschaft, zum eigenen Vorteil auch Gewalt anzuwenden, den alltäglichen Umgang miteinander. Ein in die Stadt kommender Fremder oder ein dort lebender Außenseiter wirkt meist dabei als Katalysator für die schwelenden Konflikte und treibt sie zur Eskalation. In Jack Arnolds Western kommt die Gefahr für die Gemeinschaft stets von innen. Die kleine Stadt Durango in „Red Sundown“ wird beispielsweise von einem gierigen Rinderbaron und seinen Handlangern tyrannisiert – erst ein auf die Seite des Rechts überwechselnder Revolverheld kann diesem Zustand ein Ende bereiten. Arnolds SF- und Horrorfilme variieren das Thema der Gefahr und zeigen neben den Untiefen und Ungeheuern auch stets die Monstrosität der Menschen: Die Außerirdischen in „It came from Outer Space“ haben mit ihrem Raumschiff eine Notlandung auf der Erde gemacht und wollen eigentlich nur in Ruhe die notwendigen Reparaturen vornehmen, um dann wieder abzureisen. Um bei der Beschaffung nötiger Ersatzteile nicht aufzufallen, duplizieren sie die Körper einiger Bewohner der Kleinstadt, in deren Nähe sie gelandet sind. Als ihre Anwesenheit jedoch entdeckt wird, stellt sich heraus, daß nicht die Aliens, sondern die Menschen die eigentlichen Monster sind: alles Fremde macht ihnen Angst und soll deshalb ohne Umschweife vernichtet werden. Auch Arnolds vielleicht berühmtester Film „Creature from the black Lagoon“ (Der Schrecken vom Amazonas) und dessen Fortsetzung „Revenge of the Creature“ (Die Rache des Ungeheuers, 1955) greifen dieses Motiv erneut auf. Der furchterregend aussehende Kiemenmann lebt mit seinem Lebensraum am Amazonas durchaus im Einklang – bis eine Expedition erscheint, um ihn einzufangen. Die Menschen sind die Aggressoren: mit Käfig und Gift, mit Harpunen, Revolvern und Dynamit rücken sie dem Urzeitmonster zu Leibe – wer würde sich da nicht wehren? Daß es dem Kiemenmann eigentlich nur um ein wenig Zuneigung geht, zeigt eine der schönsten Sequenzen in der Geschichte des Horrorfilms: Julie Adams schwimmt und badet in der Lagune, stets beobachtet vom Monster, das sich als stiller Verehrer unter Wasser dem Rhythmus ihrer Schwimmbewegungen anpaßt und mit ihr ein Wasserballett aufführt – Werbung und Vereinigung in einem. Frank Schnelle hat Jack Arnold einen liberalen Moralisten unter den Horror-Filmern der Fünfziger genannt; nicht vergessen darf man jedoch, daß Arnolds Filme auch stets den Ansprüchen des Genre-Kinos gerecht werden: Schock und Suspense sind stete Bestandteile seines phantastischen Kinos. Für den schrumpfenden Protagonisten aus „The incredible shrinking Man“ (Die unglaubliche Geschichte des Mr. C., 1957) werden die alltäglichen Dinge zur Bedrohung. Seine sozialen Kontakte und sein anscheinend intaktes Eheleben halten der neuen Situation nicht stand, die Hauskatze wird zur reißenden Bestie und eine kleine Spinne im Keller zur tödlichen Bedrohung. Arnolds letzter Horrorfilm „Monster on the campus“ (Der Schrecken schleicht durch die Nacht, 1958) zeigt dagegen am deutlichsten, daß die Monster nur die Kehrseite der menschlichen Existenz darstellen: der freundliche Forscher, der mit dem Blut eines prähistorischen Fischs in Berührung kommt, verwandelt sich in ein Ungetüm und bedroht und tötet die Dinge, die er liebt. Wenngleich Arnolds Filme stark in den Fünfzigern verwurzelt sind, so bleiben sie doch zeitlose Klassiker – auch über das Monster in uns selbst. Lars Penning