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Marc Hodler konvertiert

■ Zwei Norweger gewinnen die Kombinantion vor der kompletten Mannschaft aus Luxemburg, aber das Wetter bleibt Hauptdarsteller bei der alpinen Ski-WM in Japan

Morioka (taz/dpa) – In den europäischen Alpen scheint nach ausführlichen Schneefällen penetrant die Sonne, aber die Schnellsten auf den Brettern üben sich größtenteils weiterhin in der hohen Kunst des Zeitvertreibens. Immerhin konnte bei der alpinen Ski-WM im japanischen Morioka nach der Kombination der Frauen der zweite Wettbewerb zu Ende gebracht werden. Die Männer- Kombination gewann der Norweger Lasse Kjus vor seinem Landsmann Kjetil-Andre Aamodt und dem luxemburgischen Einmannteam und großen Favoriten Marc Girardelli, der alle bisherigen Kombinationen des Weltcup-Winters für sich entschieden hatte.

Der 22jährige Kjus holte damit den ersten alpinen Weltmeistertitel für Norwegen seit 39 Jahren. 1954 in Are hatte Stein Erksen dreimal alpines Gold für das Land der Langläufer und Skispringer gewonnen. Allerdings kam der norwegische Erfolg nicht überraschend. Seit Dieter Bartsch, vom österreichischen Verband wegen Mißerfolgen gefeuert, 1987 das Training übernommen hat, ging es mit den skandinavischen Rennläufern stetig bergan. Bisheriger Höhepunkt waren die Olympischen Spiele in Albertville, als Aamodt im Super-G und Finn-Christian Jagge im Slalom siegten. Bartsch revolutionierte das Training, ließ seine Mannen Ballett tanzen und setzte ganz auf familiäre Atmosphäre: Trainingslager finden in Innsbruck im Haus von Bartschs Schwiegermutter statt.

Zwar konnte der bereits mehrmals verlegte Kombinations-Slalom endlich stattfinden, aber der für denselben Tag vorgesehene Riesenslalom der Frauen wurde abgesagt. Sämtliche für das Wochenende geplanten Rennen fielen sprichwörtlich ins Wasser, und noch immer ist keine meteorologische Besserung in Sicht. Der Regen ging zwar in der Nacht zum Montag bei sinkenden Temperaturen in Schnee über, aber die Pisten sind jetzt mit 50 Zentimeter Neuschnee zugeschüttet und müssen erst wieder neu präpariert werden. Da nutzte es auch nichts, daß Marc Hodler, der Präsident des Internationalen Skiverbandes (FIS), am Sonntag in einem Schrein der Schintoisten um besseres Wetter flehte. Immerhin die Beschwörungen von Pressechef Katsube hatten Erfolg. Der hatte am Eingang des Medienzentrums eine weißgewandete Puppe mit der Zauberformel „Teru-teru-Bozu“ aufgehängt – übersetzt: „Möge der Regen in Schnee übergehen.“

Die FIS setzt zwar weiter fleißig die Rennen an, aber es wird immer unwahrscheinlicher, daß der Terminkalender eingehalten werden kann. Vielleicht hat ja auch Alberto Tomba die besseren Verbindungen zu den überirdischen Mächten, denn ihm kämen weitere Verlegungen sehr zupaß. Die italienische Mannschaftsleitung sagte seinen ersten Auftritt beim Riesenslalom schon vor dem geplanten Rennen ab, weil er durch eine Darmgrippe, die auch einigen anderen Aktiven schlaflose Nächte bereitet, geschwächt ist. Ein Antrag der Italiener auf Verlegung des Rennens wegen „La Bombas“ Erkrankung wurde zwar abgelehnt, aber vielleicht hilft das Wetter ja weiter.

Auch die nicht durch häufigen Stuhlgang beschäftigten Skiartisten gehen eher ungewohnten Beschäftigungen nach. Mit Stadtbummeln, Volleyball, japanischem Essen, Thermalbädern und natürlich dem überaus bayerischen Kartenspiel Schafkopf brachten die deutschen SkiläuferInnen die Wartezeit auf die nächste Wettermeldung rum. Katja Seizinger fuhr Motorrad in einem Rennsimulator, und abends tankten die Beschäftigungslosen im „Österreich- Haus“ bei alpenländlischer Musik etwas Heimatgefühle. Vor allem der von Bandscheibenschmerzen geplagte Armin Bittner bestand auf einem abendlichen Schafkopfturnier. An diesem hätte vielleicht auch besser Chantal Bournissen teilgenommen. Die Schweizer Kombinationsweltmeisterin von 1991 und Abfahrts-Favoritin zog sich beim Volleyball in der Halle einen Bänderriß im Sprunggelenk und eine Knochenabsplitterung zu und reiste bereits am Sonntag unverrichteterdinge wieder ab. to

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