: Medikamente sind unerschwinglich
■ Albaniens Gesundheitswesen ist in desolatem Zustand
Die medizinische Versorgung in Albanien funktioniert nur noch auf rudimentärem Niveau. Allein Hilfslieferungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der EG garantieren derzeit, daß das Gesundheitswesen im ärmsten Land Europas nicht völlig zusammenbricht.
Dr. Shaqir Krasta, Spezialist für Infektionskrankheiten, betreut in Ungarn albanische Patienten, für die in ihrem Heimatland nichts getan werden kann. Er berichtet, daß vor allem die Gesundheitsvorsorge nicht mehr stattfindet und sich die hygienischen Bedingungen erschreckend verschlechtert haben. Das Trinkwasser werde nicht mehr gereinigt und sei mit Abwässern vermischt.
Dem Gesundheitsministerium fehlt das Geld, um Desinfektionsmittel wie Chlor zu importieren. In Albanien selbst wird kein Chlor produziert. „Das Innen- und das Verteidigungsministerium“, so Shaqir, „haben im Staatshaushalt das meiste Geld bekommen, das Gesundheitswesen dagegen am wenigsten.“ Durch das verschmutzte Trinkwasser haben sich Magen-Darm-Infektionen, Hepatitis, Typhus und andere schwere Infektionskrankheiten ausgebreitet, die Säuglingssterblichkeit ist drastisch angestiegen.
Um Krankheiten zu behandeln, fehlt es entweder an Medikamenten, deren Produktion in Albanien völlig zum Erliegen gekommen ist, oder sie sind zu teuer und für viele Menschen deshalb unerschwinglich. Oft verschwinden auch Hilfslieferungen, berichtet Shaqir, Medikamente werden auf dem Schwarzmarkt verhökert. „Theoretisch ist die medizinische Behandlung bei uns noch kostenlos. Aber die Ärzte verdienen offiziell im Durchschnitt gerade 20 Dollar pro Monat, und so behandeln viele Patienten nur noch gegen entsprechende Bezahlung – praktisch Korruption.“ Außerdem fehlen in den Labors Ausrüstungen und Chemikalien, um zum Beispiel bei Infektionskrankheiten Analysen durchzuführen. Ein weiteres Problem stellt auch die Flucht vieler Ärzte aus Albanien dar, die ihr Land verlassen, um im Ausland – vor allem in Griechenland – als medizininisches Hilfspersonal zu arbeiten.
Am härtesten betroffen von der Misere sind alte Menschen, die sich eine medizinische Versorgung finanziell nicht mehr leisten können, sowie chronisch Kranke. „Chronische Krankheiten werden kaum mehr behandelt“, sagt Shaqir. „Es wird überhaupt kaum noch etwas getan, wenn es nicht gerade lebensnotwendig ist.“ Keno Verseck
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