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"Totgesagte leben länger"

■ Die Erfolglosen bleiben, die Erfolgreichen gehen - der DSV glänzt nach den nordischen Ski-Weltmeisterschaften in Falun bei der Besetzung von Trainerposten

Berlin (taz/dpa) – Die Bronzene für die Kombinierer-Mannschaft sollte die einzige Medaille bleiben, die das Team des Deutschen Skiverbandes (DSV) von den nordischen Ski-Weltmeisterschaften im schwedischen Falun mit nach Hause brachte. Aber am drittletzten Tag gewann die 4x10-Kilometer-Staffel der Männer, wenn schon kein Metall, dann doch immerhin Naturalien. Weil Torald Rein, Jochen Behle, Johann Mühlegg und Walter Kuß als Fünfte die beste Plazierung einer DSV-Staffel seit dem vierten Platz von Lake Placid 1980 erreichten und vor den Tschechen ins Ziel kamen, muß deren Auswahlchef Bohuslav Razl aufgrund einer Wette 20 Flaschen Sekt an den deutschen Trainer Georg Zipfel schicken, damit der die Vorbereitung auf die Olympischen Winterspiele 1992 in Lillehammer intensivieren kann. Bis dahin will Veteran Behle auf jeden Fall noch weitermachen. Seine Wiederauferstehung nach schlechten Weltcupergebnissen in diesem Winter war die eigentliche Sensation. Den fünften Platz im Einzelrennen über 10 Kilometer im klassischen Stil kommentierte der 31jährige: „Totgesagte leben eben länger.“

Das gute Abschneiden der Langläufer und die Medaille der Kombinierer waren die einzigen Nettigkeiten, die die DSV-Aktiven ihren Trainern und Funktionären antaten. Ansonsten lange Gesichter allüberall. Die Frauen-Staffel wurde über 4x5 Kilometer nur Zehnte und erreichte mit diesem Ergebnis nicht einmal die Qualifikationsnorm für Olympia. Im Jagdrennen konnte sich keine einzige der deutschen Läuferinnnen vor der jüngsten WM-Teilnehmerin, Kristina Smigun, plazieren. Die 16jährige Estin wurde 31.

Von den Langläuferinnen konnte man aber auch nicht mehr erwarten. Völlig fiaskös dagegen das Abschneiden der deutschen Skispringer. Als Mitfavoriten angereist, wurde nach dem Mannschaftswettbewerb, wo nur Kasachstan und ähnlich starke Skisprung-Nationen geschlagen werden konnten, der ehemalige Weltmeister Dieter Thoma als Sündenbock gefunden und in den nächsten Flieger in die Heimat gesetzt. Thoma hatte angeblich ständig gemeckert und sich bei der Zimmereinteilung geweigert, mit dem Kombinierer Thomas Dufter zusammengelegt zu werden. Jens Weißflog, immerhin nach Matti Nykänen der zweitbeste Springer der 80er Jahre, aber im Moment auf Plätze um die 43 abonniert, hoffte, daß ohne Thoma weniger „negativer Kohl“ geredet werden möge. Zum Glück für Thoma hoppelten seine Kollegen auch nach seinem Abgang mehr, als daß sie sprangen. Bester auf der Normalschanze wurde noch WM-Neuling Gerd Siegmund als 20. Weil der Sündenbock schon weg war, fand man jemand anderes. „Wenn einmal der Wurm drin ist, ist nichts mehr zu machen,“ hatte Christoph Duffner erkannt, woran's liegt, und Jens Weißflog zeigte die Lösung auf: „Am besten, ich nagele die Ski an die Wand.“ Vielleicht wird's dem Wurm dann langweilig. Gar nicht langweilig war es Springer- Bundestrainer Rudi Tusch (Spitzname: Rudi Ratlos). Denn der mußte nach jedem Wettbewerb nach Ausreden suchen, was er bald ganz aufgab und statt dessen mit wohl ausformulierten Ich-verstehe-das-nicht-Interviews glänzte. Weltmeister auf der Normalschanze wurde der Japaner Mashahiko Harada vor dem Österreicher Andreas Goldberger und Jaroslav Sakala aus der Tschechischen Republik.

Während Tusch keine Konsequenzen zog, nahm ausgerechnet Hermann Weinbuch, Ex-Weltmeister und Trainer der Kombinierer, seinen Hut. Der Befehl kam trotz der Bronzemedaille von Vater Helmut, seines Zeichens DSV- Sportdirektor: „Hermann muß schleunigst da raus und wieder gesund werden.“ Sein Filius ist in dem einen Jahr, in dem er für Pappa jobbte, auf 62 Kilo abgemagert und möchte nun wieder zu Hause gemütlich den Nachwuchs trainieren. Kein Wunder, wenn ihn seine Athleten so fertigmachen, wie Staffel-Schlußläufer Hans-Peter Pohl, der beim Jubeln fünf Meter vor der Ziellinie über die eigenen Stöcke stolperte und dabei voreilig den Schnee küßte. Seine überaus einleuchtende Erklärung: „Wenn du zu früh feierst, fällst halt hin. Nach fünf erfolglosen Jahren habe ich das Jubeln wohl verlernt.“

Schlimmer als die Deutschen erwischte es nur noch die Schweden. Die mußten bis zum allerletzten Tag warten, bis Torgny Morgren als Sieger über 50 Kilometer die erste Medaille für die Gastgeber gewann. Statt dessen setzte sich der bei der alpinen WM noch etwas überraschend begonnene Goldrausch der Norweger in Falun nahtlos fort. Da kam sogar König Harald eigens ins Nachbarland geflogen, um seinen 56. Geburtstag im Kreise seiner Untertanen zu begehen. Im Gegensatz dazu ward sein Kontrahent Carl Gustav von Schweden seit der Eröffnungsfeier nicht mehr gesehen.

Während der königliche Harald die nationale Freude auskostet, reiben sich die norwegischen Ski- Fabrikanten und die Tourismusbranche die Hände. „Wir haben zwar keine Alpen, aber die besten Wintersportler der Welt. Dies und die weltweite Übertragung der Spiele 1994 gibt unserer Industrie eine Riesenchance, aller Welt den hohen Standard unserer Firmen zu zeigen“, hofft Sigmund Thue vom OK in Lillehammer.

Neue Wege des Sponsorings zeigte der Sprispringer Helge Brendryen auf. Der norwegische Mannschafts-Weltmeister ließ schon vor der WM 5.000 Anstecker prägen, auf denen „Helge auf dem Weg nach Lillehammer“ steht und die für rund sechs Mark pro Stück verkauft werden. 20.000 Mark für seine Vorbereitung auf die Olympischen Spiele erhofft sich der Skisprung-Profi. to

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