: Auch zeigen, wie es weitergeht
■ Deutsches Leben – Eine Filmreihe leistet Gedächtnishilfe
„Einen Spielfilm stelle ich mir so vor“, sagt Elsbeth, eine der drei Arbeiterinnen des Obertrikotagenwerks „Hans Lück“ in Volker Koepps „Wittstock“-Film: „Zwei lernen sich kennen, dann gibt's den ersten Krach. Aber jetzt darf man nicht bloß abdrehen wie sie sich kriegen. Man muß auch was über ihre Arbeit erfahren. Und dann wie es weitergeht.“ Volker Koepp hat diesen Wunsch in seinen Dokumentarfilmen programmatisch umgesetzt. Gleichzeitig könnte er auch die Konzeption einer Filmreihe sein, die die Ausstellung „Lebensstationen in Deutschland“ im Deutschen Historischen Museum begleitet. Dokumentar- und Spielfilme von 1926 bis 1993 erinnern an deutsche Lebenswirklichkeiten.
„Das Drehbuch: Die Zeiten“ von Winfried und Barbara Junge und „Neues in Wittstock“ von Volker Koepp verkörpern einen Typus des Dokumentarfilms, den es nur in der DDR gab: die Langzeitbeobachtung. Vor 30 Jahren hat Junge mit seiner – stellenweise leider etwas penetrant pädagogischen – Chronik einer Schulklasse aus Golzow im Oderbruch begonnen. „Heimat“ als work in progress. Koepp filmte seit 1974 in einem neugegründeten Textilbetrieb. In den Persönlichkeiten seiner sympathischen Protagonistinnen spiegeln sich, ungewohnt offen, die ökonomischen und politischen Schwierigkeiten des DDR- Alltags. 1990 hat er sie noch einmal besucht; der Betrieb ist verkauft, die meisten entlassen. Die Filmemacher und die Gefilmten werfen einen Blick zurück auf die eigene Arbeit.
Um den mühseligen Umgang mit der Erinnerung geht es bei Eberhard Fechner und Erwin Leiser. In „Klassenphoto“ (1969) interviewt Fechner, der vielleicht bekannteste bundesdeutsche Dokumentarfilmer, ehemalige Schüler des Abiturjahrgangs 1937 eines Berliner Gymnasiums. Mit der für ihn typischen Schnitt- und Montagetechnik entlarvt er gezielt die Widersprüche und Selbstberuhigungen in ihren Aussagen. Erwin Leiser – er war selbst ein jüdischer Mitschüler, an die sich Fechners Protagonisten so schwer erinnern – hat seine eigenen ehemaligen Klassenkameraden vor die Kamera gebracht. Im Gegensatz zu Fechner kommentiert er nicht, er läßt sie reden. Der Titel „Pimpf war jeder“ (1992) ist das lakonische Fazit ihrer hilflos-naiven Verteidigungsreden.
Zeigen, wie es weitergeht, will Edgar Reitz mit der Fortsetzung seiner fiktiven Filmchronik „Heimat“, in der er das Schicksal der Bewohner des erdachten Hunsrück-Dorfes „Schabbach“ erzählt. In „Die zweite Heimat“ spinnt er die Geschichte von Hermännchen weiter, der das Dorf verläßt, um zwischen 1960 und 1970 in Münchner Künstlerkreisen zu leben und zu studieren. Bleiben, Weggehen, Zurückkommen – Bewegungen um einen Ort, der, bewußt oder unbewußt, ein Zentrum unseres Lebens bleibt. 26 Stunden bundesrepublikanisches Leben vor der Revolte 1968.
Die Spielfilme der Reihe sind der Jugend gewidmet: Generations- und Identitätsprobleme, Proteste und neue Lebensformen, zu allen Zeiten, allerorten und in ganz unterschiedlichen Perspektiven. Renitenz und gesunde Frechheit in May Spills' „Zur Sache, Schätzchen“ (BRD 1967) und Frank Beyers „Spur der Steine“ (DDR 1965/67), Rebellion in „Die Halbstarken“ (BRD 1956), Melancholie in Kurt Maetzigs „Das Kaninchen bin ich“ (DDR 1964/65) und „Abschied von Gestern“ von Alexander Kluge (BRD 1966). Barbara Häusler
Die Filme laufen alle im Zeughaus-Kino, Unter den Linden 2. Das komplette Programm ist dort erhältlich. Der Vorverkauf für die „Heimat“-Filme (Ostern und Wochenende danach) hat begonnen.
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