■ Cash & Crash: Amerikanische Bequemlichkeit
„In allen klassischen ökonomischen Modellen ist die Vorstellung nahezu unmöglich, daß der Handelsüberschuß noch steigen kann, nachdem sich der Preis ihrer Währung verdoppelt hat.“ Die Feststellung des amerikanischen Japan-Experten James Fallows ist inzwischen fünf Jahre alt. Sie entstand unter dem Eindruck der 80er Jahre, als die japanische Währung zwischen 1985 und 1988 gegenüber dem US- Dollar von 260 auf 122 Yen anstieg, der japanische Handelsüberschuß gegenüber den USA aber nur unwesentlich zurückging. Inzwischen bricht der Yen wieder täglich neue Rekorde; am Montag stand er auf 110,50 Yen zum Dollar. Marktbeobachter halten einen Kurs von 100 Yen noch in diesem Jahr für möglich. Was jedoch die erhofften wirtschaftlichen Folgen des Dollarverfalls betrifft, kann es nicht schaden, sich der Beobachtungen Fallows zu entsinnen.
Damals wie heute waren die Regierungen im Spiel. Erst das Plaza-Abkommen der sieben größten Industrienationen (G-7) bewirkte 1985 den Aufstieg des Yens. Damals wie heute glaubt die US-Regierung, mit ihrer Währungspolitik ein leichtes Mittel gegen den japanischen Handelsüberschuß zu besitzen. Bill Clinton konnte es deshalb nicht lassen, beim Besuch des japanischen Premierministers Mitte April in Washington persönlich für einen starken Yen zu plädieren. Seitdem sind dem Yen-Boom scheinbar keine Grenzen gesetzt.
Japan kann sich darüber kaum freuen. „Wir verlieren sechs Milliarden Yen für jeden Anstieg des Yen-Kurses um einen Yen,“ klagt ein Sprecher des größten japanischen Automobilherstellers Toyota. Die Yen-Aufwertung trifft die japanischen Unternehmen in einer heiklen Phase, da die Konjunktur zu Hause lahmt und „Made in Japan“ im Ausland rasant teurer wird. Viele Ökonomen geben Clinton recht und fürchten, diesmal sei die japanische Wirtschaft zu finanzschwach, um sich vom Druck der Wechselkurse zu befreien. Das freilich dachte man auch nach dem Plaza-Abkommen, als die japanische Wirtschaft erst einsackte und anschließend explodierte. Gegen die makroökonomische Rechnung der Clinton- Administration spricht die Anpassungsfähigkeit der japanischen Unternehmen, sprich der menschliche Erfindungsgeist. Die Zweifel, ob er nach den fetten Jahren in Japan überlebt hat, kann die amerikanische Bequemlichkeit nicht entschuldigen. Georg Blume
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