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InterviewCDU-Chef Dirk Fischer geht auf Nummer sicher

■ Kein Risiko mehr / Kritik am Hamburger Verfassungsgericht / Voscherau ist unverschämt

INTERVIEW

CDU-Chef Dirk Fischer geht auf Nummer sicher Kein Risiko mehr /

Kritik am Hamburger Verfassungsgericht / Voscherau ist unverschämt

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taz: Herr Fischer, werden Sie Herausforderer von Henning Voscherau?

Fischer: Soweit sind wir noch nicht. Personalentscheidungen standen gestern noch nicht auf der Tagesordnung. Im übrigen werden wir sie nach sorgfältiger Sondierung aller denkbaren Alternativen treffen. Und hierzu habe ich Gespräche, die ich vor Monaten im Hinblick auf 1995 begonnen habe, in den letzten Tagen mit größter Eile vorangetrieben. Aber ich habe in der nächsten Woche noch Gespräche zu führen. Dann wird der Parteivorstand von mir einen Bericht bekommen und unter den sich bietenden Möglichkeiten zu entscheiden haben. Zunächst muß die Frage diskutiert werden, wie man zu schnellstmöglichen Wahlen in Hamburg kommen kann, damit Hamburg ein handlungsfähiges Parlament zurückerhält. Für uns ist nicht akzeptabel, daß das Gericht sich sechs Wochen Zeit lassen will, bevor die Urteilsgründe geliefert werden. Denn wenn man eine so weitreichende Entscheidung fällt, dann muß man auch mit der größten Eile, die der eingetretenen Lage gerecht wird, die Urteilsgründe absetzen. Wir werden auch nicht mit dem Auf-Zeit-Spielen von Herrn Voscherau einverstanden sein, der hier den Urlaubsmonat bemüht, um zu erklären, warum angeblich erst Mitte September gewählt werden kann. Obwohl ja in Hamburg Mitte August die Schulferien enden. Nein, der wahre Grund, warum Henning Voscherau auf Zeit spielt, ist ein anderer. Er möchte aus dem demoskopischen Tief der SPD, ausgelöst vor allem durch den Rücktritt von Engholm, herauskommen und spekuliert auf eine günstigere Wahlsituation. Dieses ist überhaupt nicht akzeptabel.

Herr Voscherau hat sich in einer Zeitung darüber mokiert, daß Sie sich für die jetzige Lage bei den Bürgern noch nicht entschuldigt hätten. Wenn wir diese Äußerung und die Frage, wer denn nun die ganze Chose bezahlen soll, zum Teil als Wahlkampfgetöse verstehen, sind Sie als Hauptverursacher der Neuwahlen nicht doch in gewisser Weise in der Schuld der BürgerInnen?

Es ist so, daß wir hier einen Urteilsspruch bekommen haben für ein Nominierungs-Verfahren, das wir seit Jahrzehnten praktiziert haben. Mit diesem Verfahren, das von der Landeswahlleitung des Senats geprüft worden ist, sind wir stets zu den Wahlen zugelassen worden. So daß, wenn man überhaupt einen solchen Gedanken verfolgt, sich mindestens die Frage des Mitverschuldens des Senats stellen würde. Dazu hat sich Voscherau erstaunlicherweise nicht geäußert. Aber natürlich ist diese Forderung auch absolut abwegig, weil es in der deutschen Verfassungsrechtssprechung eine größere Zahl von Urteilen gibt, durch die ein Gesetz oder eine Maßnahme für verfassungswidrig erklärt worden ist, ohne daß die Verantwortlichen zur Schadenswiedergutmachung herangezogen worden wären. Zum Beispiel hat der Hamburger Senat das Ausländerwahlrecht einführen wollen. Herr Voscherau und der Verfassungsrechtler Ingo von Münch waren seinerzeit die Hauptmatadore. Sie haben, nachdem Karlsruhe dieses für verfassungswidrig erklärte, sich weder öffentlich entschuldigt, noch haben sie ihren Rücktritt erklärt, noch haben sie den für die Erzeugung dieses Gesetzes notwendigen Aufwand ausgeglichen. Insoweit finde ich das, was hier von Herrn Voscherau gesagt wird, und zwar wider besseres juristisches Wissen, eine vorsätzliche Diffamierung und weise es als eine Unverschämtheit zurück.

Ich nehme mal an, daß Sie sich in den vergangenen Tagen nach dem Urteil des Verfassungsgerichts auch mit Juristen über die Verfassungslage in Hamburg darüber beraten haben, ob sich die Bürgerschaft auflösen kann und dafür noch ein Mandat hat. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Das ist eine Frage, die Juristen sorgfältig zu prüfen haben. Ich würde zunächst einmal das Gericht kritisieren, weil es nach dem Urteilsspruch zwar eine Reihe von geschäftsleitenden Bemerkungen gemacht hat. Andere wichtige Fragen für das weitere Vorangehen aber unbeantwortet gelassen hat, so daß hier ja wieder neue rechtliche Risiken entstehen können. Deswegen müssen Juristen diese Frage sehr sorgfältig klären. Also für den Fall, daß eine Selbstauflösung rechtlich machbar ist, oder auch durch eine Novelle zum Wahlgesetz ein früherer Wahltermin ermöglicht werden kann, sind das Überlegungen und Zielsetzungen, die mit der Forderung der CDU, zu schnellstmöglichen Wahlen zu kommen, durchaus vereinbar sind. Fragen von Norbert Müller

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