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Rollback nach vorn Von Mathias Bröckers

Der Pilz-Philosoph und Neo- Schamane Terrence McKenna hat eine interessante Theorie der Zeit aufgestellt. Ein so komplexes Geschehen wie „Zeit“ in ein paar Sätzen zu erklären, kann eigentlich nur schiefgehen, trotzdem will ich die Grundidee von McKennas „Timewave Zero“ skizzieren:

Die Zeit verläuft danach in Form einer fraktalen Welle, ihr Verlauf ähnelt eher dem chaotischen Auf und Ab eines Börsenkurses als einem gleichmäßigen Fluß. Wie das Auf und Ab eines Börsenkurses zwei verschiedene Zustände des Aktienmarkts anzeigt, zeigt die Zeitkurve zwei Qualitäten von Zeit an: Zeiten des Stillstands, des Rollbacks, der bleiernen Schwere, und Zeiten des Ereignisses, der Aktivität und der dynamischen Neuerung. McKenna zufolge verläuft das Zickzack dieser Kurve nur scheinbar chaotisch, bestimmte Muster wiederholen sich ständig, die Kurve ist sich selbst ähnlich.

Erstaunlicherweise stieß er auf diese Zusammenhänge etwa zur gleichen Zeit wie die Mathematiker, die Mitte der siebziger Jahre die Ordnung im Chaos zu entdecken begannen – allerdings nicht vor einem Computer, sondern bei einem Pilz-Ritual amazonischer Indianer. Diese halluzinatorische Methode wissenschaftlicher Entdeckung mag heutzutage in Mißkredit geraten sein, dennoch ist sie (denken wir nur an den Benzolring) keineswegs zu unterschätzen.

Im Alltag finde ich zum Beispiel die zwei Qualitäten von Zeit auf einfachste Art bestätigt: Es gibt Tage, manchmal Wochen, in denen überhaupt nichts passiert, und dann wieder Punkte, an denen alles auf einmal zu passieren scheint. Das gilt für den ganz privaten, persönlichen Trott, und es gilt für das öffentliche, politische Geschehen, das oft monatelang erstarrt vor sich hindümpelt und plötzlich auf ein Ereignisfeld zu geraten scheint: Der mächtigste Gewerkschaftsboß stürzt, das Asylrecht kippt, die Abtreibung wird kriminalisiert, und die kahlköpfigen Handlanger des medialen Schlips-und-Kragen-Chauvinismus, der Springers und FAZkes, schreiten einmal mehr brutal zur Tat. Dies alles in einer Woche. Sind wir, mit diesen Ereignissen, auf der Achterbahn der Zeitkurve gerade in ein Rollback-Looping Richtung Mittelalter eingefahren?

Nach McKennas Theorie bewegen wir uns in der aktuellen Zeitperiode nach einem Muster, das exakt dem beim Niedergang des Römischen Reichs entspricht, allerdings wird jetzt das, was damals noch Jahrhunderte dauerte, in wenigen Jahren durchexerziert. Das Mittelalter steht uns also erst noch bevor, wird aber dann in wenigen Monaten erledigt sein. Ein tröstlicher Gedanke – wie überhaupt diese Zeittheorie kein Kind von Traurigkeit ist: Jedes Rollback, jede rückwärtsgewandte, reaktionäre Zementierung des Alten, stärkt unweigerlich die Kräfte des Neuen. Die Power, die der Karlsruher Patriarchen-Spruch der Frauenbewegung gegeben hat, ist ja schon hexenschweifartig am Horizont abzulesen. Und daß unsere mörderischen Braunen den Begriff „deutsch“ in aller Welt unmöglich machen – etwas Besseres kann künftigen Europäern und Planetariern eigentlich gar nicht passieren.

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