Somalia: General Aidid als Daueralibi

Konflikt Italien–UNO verschärft sich / Italienische Truppen erkundeten bereits mehrfach Aufenthaltsort von General Aidid, doch wurden sie am „Zugreifen“ stets von der UNO gehindert  ■ Aus Rom Werner Raith

Noch während am Mittwoch UNO-Generalsekretär Butros Ghali den italienischen Außenminister Andreatta über US-Polemiken gegen das Italo-Kontingent zu beruhigen suchte, landete der Stellvertreter Ghalis, Kofi Annan, den neuesten Tiefschlag: Der Kommandant der italienischen „Folgore“-Truppe, General Loi, solle unverzüglich seine Koffer packen, erklärte der UNO-Vize der Presse, noch bevor ein derartiger Antrag offiziell an die italienische Regierung gestellt wurde.

Eine neue Demütigung der Italiener – denen gegenüber sich die anderen UNO-Blauhelme in Somalia offenbar alles erlauben zu können glauben. Die Tatsache, daß Italien hier einst Kolonialmacht war, die USA und auch Drittwelt-Mitmacher wie Pakistan oder Indien dagegen „unbeschriebene Blätter“ sind, läßt leicht vergessen, wieviel Unmut und Elend die neuen „Friedensstifter“ auch ihrerseits in ihren Einflußbereichen hinterlassen haben.

Mehr noch als die angebliche Animosität der Somalier gegenüber Italien, auf die die UN meinen achten zu müssen, scheint aber die Allianz die Tatsache zu nerven, daß die Italiener als einzige Nation nicht nur mit einer gewissen Ortskundigkeit, sondern auch mit einem keineswegs unschlüssigen Konzept angerückt sind: Sie brachten einen präzisen Zeitplan, genaue Angaben über die leichter und die schwerer zu „befriedenden“ Gebiete und die dort dann jeweils möglichen Wiederaufbaukonzepte mit. Und: Sie hatten noch immer so viele Kontakte unter anderem zum dortigen Militär und den Geheimdiensten, um viele Aktionen leiten zu können, die den anderen Blauhelmen unmöglich sind. So gelang es ihnen bereits mehrere Male, den Aufenthaltsort General Aidids zu erkunden. „Doch jedesmal, wenn wir zugreifen wollten, wurden wir von der UNO zurückgepfiffen“, berichtet ein Mitglied des Generalstabs. „Der Mann dient offenbar einigen der Blauhelme als Daueralibi zum weiteren Einsatz ihrer Waffen.“

Derlei Sprüche aus der Umgebung des kommandierenden Generals Loi hören die UNO-Oberen natürlich nicht gerne, und so wollen sie die Italiener möglichst bald aus Mogadischu entfernen.

Die italienischen Medien haben freilich inzwischen zu einer Gegenoffensive angesetzt, die eher die UNO in miesem Licht dastehen läßt. So zeigt das Fernsehen nicht nur Bilder von italienischen Nothospitälern, sondern auch eine von italienischen Blauhelmen errichtete Gebärklinik für Somalierinnen. Und wenn man den Bildern glauben darf, so haben die Einwohner von Mogadischu zu den ehemaligen Besatzern mittlerweile ein vertrauensvolleres Verhältnis als zu den neuen Herren mit blauem Helm. Ganz anders als die eingeigelten US-Soldaten und die nach allen Seiten mit Geschützrohren drohenden Pakistani. Nach Ansicht des UNO-Oberkommandos betreibt Italien da freilich eine Einschmeichelungspolitik, die zu Lasten der anderen „Friedenstruppen“ geht: „Die kehren das Humanitäre heraus“, schimpfte ein US- Oberst, „und wenn's dann knallt, lassen sie uns zurückschießen.“

Vor zwei Tagen allerdings hatten die UNO-Chefs noch das genaue Gegenteil als Grund für ihre Forderung nach Abzug der Italiener genannt: Danach sollten die italienischen Soldaten gefangene Aidid-Anhänger gefoltert haben.