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Viermal Deutschland kahlgeschlagen

■ Tropenholz-Bericht der UNO-Landwirtschaftsorganisation FAO veröffentlicht / Die Aufforstungen bleiben hinter dem weltweiten Kahlschlag zurück / Der Verlust bedroht die biologische Artenvielfalt

Berlin/Rom (dpa/taz) – Weltweite Kampagnen von Umweltgruppen und besorgte Erklärungen westlicher Regierungen haben nichts bewirkt. Im letzten Jahrzehnt sind über 150 Millionen Hektar Tropenwald vernichtet worden. Das entspricht dem Vierfachen der Fläche des wiedervereinigten Deutschland.

Gestern hat die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO, ihren neuesten Bericht über den Zustand der Regenwälder veröffentlicht. FAO- Generaldirektor Edouard Saouma warnte in Rom vor dem Verlust eines „unschätzbaren Reichtums“, aber er warnte auch davor, die Staaten der Dritten Welt alleine dafür verantwortlich zu machen. Schuld an dieser Zerstörung lebenswichtiger Ressourcen des Planeten sei vor allem die Armut dieser Länder und ihrer Bevölkerung. „Denn“, fragt Sauma, „wie kann man von Hungernden erwarten, daß sie die Wälder schützen und sich um das Wohl künftiger Generationen kümmern, wenn sie täglich um ihr Überleben kämpfen müssen?“

Nur ein kleiner Teil des geschlagenen Holzes wird genutzt oder in die reichen Staaten des Nordens exportiert. Die Versprechen westlicher Länder, weniger Tropenholz zu importieren, würden alleine die Verwüstung nicht aufhalten können, selbst dann nicht, wenn sie eingehalten würden. Nach Darstellung der FAO werden die Tropenwälder in erster Linie gerodet, um Flächen für die Landwirtschaft, die überquellenden Städte und neue Industriegebiete zu gewinnen.

Doch die Holzfällertrupps hinterlassen Einöden, die der Erosion preisgegeben sind. Obwohl die Internationale Tropenholz-Organisation ITTO ihre Mitgliedstaaten verpflichtet, eine sogenannte „nachhaltige“ Forstwirtschaft zu betreiben, halten die Versuche, neuen Wald anzupflanzen, nicht entfernt Schritt mit den Zerstörungen. Zwischen 1981 und Ende 1990 wurden in jedem Jahr durchschnittlich 15,4 Millionen Hektar Tropenwald abgeholzt, das entspricht etwa der doppelten Fläche der ehemaligen DDR. Im selben Zeitraum wurden durchschnittlich pro Jahr nur 3,7 Millionen Hektar „erfolgreich aufgeforstet“, wie es in dem Bericht heißt – das entspricht etwa der Fläche des Zwergstaates Luxemburg. Und selbst diese Zahl ist zweifelhaft. Ob die neuen Bäume dauerhaft überleben, ist nicht sicher: Etwa ein Drittel Wiederaufforstungsversuche, die in den vergangenen zehn Jahren untenommen wurde, gilt schon jetzt als gescheitert.

Bäume sind nicht nur Klimaregulatoren und Sauerstoffproduzenten, sie sind Lebensräume für zahllose Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen. Das Verschwinden der Wälder bedrohe die Artenvielfalt der Erde, warnt nun auch die Landwirtschaftsorganisation der UNO, die sonst eher dazu neigt, die Produktion von Nahrungsmitteln vor ökologische Rücksichten zu stellen. Es gelte jetzt aber zu erkennen, daß manche der bedrohten Arten nicht nur ökologisch wichtig, sondern auch von gesellschaftlichem Nutzen seien, sagte Generaldirektor Sauma. Die genetische Verarmung untergräbt die Landwirtschaft, und Sauma kündigte an, dieses Problem zum Thema des diesjährigen Welternährungstages am 16. Oktober zu machen.

Ein Fortschritt immerhin ist zu verzeichnen: Die Schadensforschung hat sich verbessert. Die FAO verfügt heute über ein gut entwickeltes Informationssystem, an dem sich 90 Staaten beteiligen. Der neue Bericht stützt sich außerdem auf Satellitenbilder und schlüsselt die fortschreitende Entwaldung der Erde erstmals nach Regionen und Länder auf. Den Spitzenplatz hält Brasilien besetzt, das in der vergangenen Dekade 3,7 Millionen Hektar Wald verloren hat – 74 Millionen Hektar waren es in Lateinamerika und der Karibik insgesamt. Afrika und der asiatisch-pazifische Raum folgen 41 und 39 Millionen Hektar Waldverlust auf den folgenden Plätzen. Schon mittlere Staaten wie Zaire bringen es auf 732 Tausend Hektar gerodeten Waldes, und allein Indonesien hat in zehn Jahren 1,2 Millionen Hektar kahlgeschlagen.

In Asien allerdings wurden auch die meisten Bäume neu angepflanzt, 73 Prozent aller Wiederaufforstungen fanden in dieser Region statt. Lateinamerika hält mit 20 Prozent das Mittelfeld besetzt, am schlechtesten steht in dieser Hinsicht Afrika da: Ganze vier Prozent aller Versuche, verlorenen Wald wiederzugewinnen, wurden in diesem Kontinent unternommen. nh

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