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Die Probleme dort lösen, wo sie entstanden sind

■ Interview mit Klaus Heimann, dem Leiter der Abteilung Berufsbildung beim Bundesvorstand der IG Metall, zu Wegen aus der ostdeutschen Ausbildungsmisere

taz: Herr Heimann, wenn Sie Bundeskanzler wären, was würden Sie für die knapp 40.000 ostdeutschen Jugendlichen tun, die noch keine Lehrstelle gefunden haben?

Klaus Heimann: Erst einmal würde ich mich daran orientieren, daß wir die Ausbildungsprobleme dort lösen müssen, wo sie entstanden sind: in den neuen Bundesländern selbst. Ich halte nichts davon, wenn man Jugendliche zu Wandervögeln macht und sie von Frankfurt/Oder nach Frankfurt/Main zur Ausbildung schickt. Als Kanzler würde ich Hilfestellung vor Ort geben und damit auch den Ländern helfen, die darum bemüht sind, mit Förderprogrammen und Unterstützungsmaßnahmen Abhilfe zu schaffen.

Aber wie wollen Sie Ausbildungsplätze in Betrieben schaffen, die es gar nicht mehr gibt, weil sie abgewickelt oder pleite sind?

In den Fällen ist es in der Tat zu spät. Aber man könnte dennoch eine Menge tun, weil diese Situation ja nicht auf alle zutrifft. Nehmen wir ein Beispiel: EKO-Stahl in Frankfurt/Oder hat beträchtliche Ausbildungskapazitäten, die derzeit brachliegen. Die könnten genutzt werden, wenn man jemand fände, der die Ausbildung zahlt. Dann könnten dort sehr schnell 100, 200 Ausbildungsplätze bereitgestellt werden. Es gibt eine Menge solcher Möglichkeiten in noch existierenden Betrieben. Darüber hinaus kann man Ausbildungsverbünde aufbauen: Die neuen Unternehmen, die sich herausgebildet haben – das sind zugegebenermaßen nicht sehr viele –, verzichten auf Ausbildung, weil sie das nicht zum Unternehmensziel zählen. Man könnte aber ausbildungsmüden Betrieben helfen, indem man sie miteinander verbindet und jeder nur einen Teil der Ausbildung übernimmt. In der Summe ergibt sich dann eine komplette Ausbildung in einer Region. Und schließlich privatisiert die Treuhand ja immer noch; in den Privatisierungsverträgen müßte unbedingt eine Regelung zum Thema Berufsausbildung festgehalten werden.

Wer steht da in der Pflicht?

Natürlich steht die Wirtschaft im Wort, die gesagt hat, sie garantiere jedem Jugendlichen in den neuen Ländern einen Ausbildungsplatz. Aber die Wirtschaft allein wird das nicht schaffen. Die Länder tun viel. Wer bislang seinen Part nicht spielt, ist der Bund.

Die DAG, Ihre Schwestergewerkschaft, schlägt vor, Handwerksbetriebe aus dem Westen könnten Auszubildende aus dem Osten in einer Art Partnerschaft bei sich aufnehmen.

Davon halten wir gar nichts. Denn das bedeutet, daß man nicht mehr an die Zukunft der Regionen in den neuen Ländern glaubt.

Aber man kann doch von keinem Jugendlichen verlangen, zu Hause auszuharren, nur damit die Region nicht ausblutet ...

Man muß unterscheiden zwischen der Politik und dem Verhalten eines jeden einzelnen. Wenn ich die Wandervogelbewegung auch noch finanziell unterstütze und sie zum Politikziel mache, trete ich eine Lawine los, die nichts mehr zu tun hat mit individuellen Entscheidungen. Hinzu kommt, daß die Plätze, die jetzt im Westen noch frei sind, weiß Gott nicht die besten sind. Ich finde es ziemlich unanständig, den Jugendlichen aus dem Osten die jetzt noch verbleibenden Handwerksstellen anzubieten und ihnen zu sagen, das müßt ihr jetzt nehmen, damit ihr überhaupt was bekommt.

Brandenburgs Arbeitsministerin Hildebrandt schlägt vor: Praxis im Westen, Theorie im Osten. Ist das eine praktikable Lösung?

Nein, die beiden Lernorte Berufsschule und Betrieb arbeiten sehr eng zusammen. Das gäbe riesige Koordinationsprobleme. Hinzu kommt die Kostenseite: Wer zahlt die Fahrtkosten, die Unterbringung? Das wird der Jugendliche alles aus seiner Ausbildungsvergütung zahlen müssen.

Gab es in der alten Bundesrepublik je einen ähnlich dramatischen Ausildungsplatzmangel?

Wir hatten in den 70er Jahren mit den geburtenstarken Jahrgängen eine große Lücke. Allerdings gab es dieses totale Wegbrechen von industriellen Strukturen nie. Insofern ist die heutige Situation tatsächlich eine Besonderheit. Im Westen hat man dann Förderprogramme entwickelt, gezielt die Betriebe angesprochen und damit Erfolg gehabt. Aber damals gab es einen Bestand an handwerklichen und industriellen Strukturen, wo man ansetzen konnte.

Wäre die heutige Misere nicht Anlaß, nach neuen Wegen in der Berufsausbildung zu suchen?

Wir haben ja vorgeschlagen, daß die Unternehmen, die gut verdienen, an der Einheit gut verdient haben, einen Solidaritätsfonds bilden zur Ausbildung von jungen Menschen im Osten. Denn wo es klemmt, ist die Finanzierung. Wir haben Ausbildungsstrukturen im Osten, wir haben Ausbilder ... Wir bräuchten dies alles nur zu nutzen und auf eine solide finanzielle Basis zu stellen. Und da wäre ein Solidaritätsfonds Ost für die Ausbildung ein vernünftiger Vorschlag ...

... der sicher auf helle Begeisterung bei denen stößt, die dort einzahlen sollen.

Die Chancen zur Verwirklichung sind in der Tat recht gering, weil die Arbeitgeber die Notwendigkeit zur Solidarität bislang nicht sehen. Interview: Vera Gaserow

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