■ Über das Duale System wird neu verhandelt: Breite Interessengemeinschaft
Die grünen Punkte werden uns weiter verfolgen. Das Duale System wird nicht zusammenbrechen – im Höchstfall seinen Namen wechseln. An einer Pleite hat niemand Interesse außer den VerbraucherInnen; für ihre weitgehende Einflußlosigkeit aber hat die Industrie schon bei der Ausarbeitung der Verpackungsverordnung gesorgt.
Zur Zeit fehlen jeden Monat 50 Millionen Mark in der Kasse der Gesellschaft, die für die Sammlung und Wiederverwertung von gebrauchten Joghurtbechern, Blechbüchsen und Corn-flakes-Schachteln verantwortlich ist. Seit drei Monaten schon warten die Müllkutscher, die die gelben Säcke abholen, auf ihr Geld. Jetzt haben sie ein Ultimatum gestellt: Wenn nicht bis zum Ende der Woche klar ist, daß sie im September für ihre Dienste bezahlt werden, bleibt der Abfall am Straßenrand liegen. Dann hätte die Stunde der Macht für die KonsumentInnen geschlagen, und sie dürften das stinkende „Wertstoffgemisch" zum Laden zurücktragen. Das aber will der Handel um alles in der Welt verhindern, und schon deshalb wird es bei der Krisensitzung am Freitag zu einer Lösung kommen.
Aber auch die säumigen Zahler, die Dosen- und Becherhersteller, wollen das Duale System nicht über den Jordan schicken. Denn das von den VerbraucherInnen über höhere Preise finanzierte Recycling garantiert ihnen auch künftig einen wachsenden Umsatz. Eine neue Diskussion über den Einsatz von weiteren Mehrwegsystemen hingegen käme ihnen ausgesprochen ungelegen.
Die Entsorger verdienen ebenfalls gut am Dualen System, selbst wenn sie im Moment kein Geld bekommen. Das Einsammeln, Sortieren und Recyceln der verschiedenen Verpackungsmaterialien hat sich zu einem ganz neuen Wirtschaftszweig entwickelt, in dem es trotz Rezession teilweise mit zweistelligen Zuwachsraten boomt. Neue Verfahren, mit denen sich zum Beispiel gebrauchtes Plastik für horrende Summen wieder in Öl verwandeln läßt, werden entwickelt – die Kosten zahlt die Regierung in Bonn aus der Staatskasse oder das DSD.
Alle, die sich übermorgen um den Verhandlungstisch von Umweltminister Klaus Töpfer scharen, eint also der Wunsch, das Duale System zu erhalten. Und auch die Verbände anderer Industriezweige werden Druck ausüben, damit es zu einer Lösung kommt – schließlich stehen demnächst neue Verordnungen über Altpapier und -autos an, bei deren Umsetzung die Wirtschaft wieder Regie führen will.
Jedoch möchten einige der an der DSD-Misere Beteiligten die Grüne-Punkt-Gesellschaft etwas ummodeln. Die Verpackungshersteller werden dafür sorgen, daß sie künftig nicht mehr allein die Abgaben für die grünen Punkte übernehmen müssen, sondern der Handel ebenfalls zahlen muß. Zähneknirschend werden die Ladenbesitzer das akzeptieren, fürchten sie doch, daß sich ihre Räume in Müllkippen verwandeln und sie zusätzlich für den Abtransport und die Verwertung der Verpackungen verantwortlich werden.
Die Entsorger hingegen spekulieren darauf, mehr Macht im DSD zu bekommen, um bei dem lukrativen Müll- und Recyclinggeschäft noch stärkeren Einfluß auf die Preisgestaltung zu gewinnen. Es ist nicht auszuschließen, daß sie am Freitag hoch pokern und einen vorübergehenden Kollaps des DSD in Kauf nehmen. Dann immerhin hätten sie die Chance, sich als Retter in der Not aufzuspielen, eine Aktiengesellschaft zu gründen und dort schließlich die Preise zu diktieren – die die VerbraucherInnen weiter über die grünen Punkte zahlen müssen. Annette Jensen
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