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415 Millionen Tonnen Giftmüll in Kasachstan

■ Erster Giftbericht der kasachischen Behörden / Zweifel an Vollständigkeit

Berlin (taz) – Die zentralasiatische Republik Kasachstan, immerhin gut achtmal so groß wie die Bundesrepublik, ist nach einem offiziellen Bericht der dortigen Behörden eine einzige große Giftmüllkippe. Auf dem Staatsgebiet der Republik sollen nach dem von der französischen Agentur „Agence France-Press“ zitierten Bericht auf hundert Deponien 415 Millionen Tonnen Giftmüll abgekippt worden sein – Erbe der großen Metall- und Zinkhütten genauso wie strahlender Abraum aus dem Uranbergbau. Zum Vergleich: in der Bundesrepublik fielen 1990 rund 15 Millionen Tonnen Giftmüll an.

Auf der ersten ökologischen Karte der GUS aus dem Jahr 1992 werden fünf Regionen als besondere ökologische Katastrophengebiete ausgewiesen. Dazu gehören, neben dem bald ausgetrockneten Aralsee, die Balchaschregion nördlich der Hauptstadt Alma-Ata, das Nordufer des Kaspischen Meeres, die Region um das Atomtestgelände von Semipalatinsk und die Industriestadt Ust-Kamenogorsk. In der 300.000-Einwohner-Stadt, die die dort lebenden Menschen wegen der Uranverarbeitung auch Atomgrad nannten, kommen atomares Desaster und giftige Metallverarbeitung zusammen. Die Dreckwolken aus den Schornsteinen der gigantischen Zink- und Bleihütte, der radioaktive Müll aus der Urananreicherung und die radioaktiven Wolken vom Testgebiet Semipalatinsk haben die Lebenserwartung um zehn Jahre verringert. In der Stadt erkranken zweieinhalbmal so viele Menschen an Krebs wie im Landesdurchschnitt, das ist Rekord. Radioaktiv verseucht wären nach dem Bericht aber nur 35 Quadratkilometer von Kasachstan, eine Zahl, die angesichts Hunderter ober- und unterirdischer Atomtests auf dem Testgelände bei Semipalatinsk wenig glaubwürdig scheint. Das Gelände wurde im Februar geschlossen, doch weiß das Land nach eigenem Bekunden nicht mehr, wohin mit seinem Atommüll. ten

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