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Stadthaut, Stadtfleisch

■ Thomas Hartmann stellt in der Galerie Beim Steinernen Kreuz aus

Ein Maler nach Wunsch, also wie er im Buche steht: Natürlich wohnt er seit Jahren in Berlin, natürlich wirft er auf seine Leinwände, was ihn zuinnerst bewegt, er ist „ständig in Krise“, er hat einen Hang zum genialischen Wurf, natürlich repräsentiert sein letztes Bild immer die Summe der Erfahrungen eines Künstlerlebens. Außerdem, keineswegs natürlich, malt er Bilder, nach denen man Sehnsucht entwickeln kann.

Thomas Hartmann, auf den immer gezeigt wird, wenn es zu beweisen gilt, daß auch Bremen namhafte Künstler produzieren kann, ist wieder in Bremen. Heute eröffnet die Galerie Beim Steinernen Kreuz eine Ausstellung mit „Neuen Bildern“. Dabei gibt es eigentlich gar keine „neuen“. Denn Hartmanns Bilder sind Ergebnisse ausführlicher und exzessiver Prozesse, müssen oft lange in der Ecke stehen, bekommen Patina, werden auch mal auf den Kopf gestellt, kurz: jedes Bild hat seine Biografie innerhalb der Künstlerbiografie, und zum Schluß, findet Hartmann, haben sie eine Haut und darunter viel Fleisch.

Tritt man zurück, sieht man Städte. Stadtlandschaften. Berlin. Großes Format, kleiner Pinsel. Hartmann gesteht, daß dies eine bewußt eingebauter Widerstand ist, weil er leicht „zu schnell“ arbeitet. Wenn man genau hinschaut, kann man den Kudamm erkennen. Schaut man noch genauer hin, löst sich die Stadt in reine Struktur auf. Diesen Eindruck verstärkt noch ein gern und oft unterlegter Linoldruck von einem Muster, das wie ein Stadtplan wirkt. Die Farben sind fast zaghaft aufgetragen, nie rein, er käme auch mit Schwarzweiß zurecht, in Ermanglung von Farbe gar mit etwas Lehm. Denn ihn interessiert die Farbe „als Körper“.

Geboren wurde Thomas Hartmann 1950 in Zetel, in den 70ern studierte er an der Bremer Hochschule für Gestaltung bei Greune, 1979 war er Stipendiat der Cite internationale des Arts (Paris), 1984-85 in der Villa Massimo (Rom). 1990 bekam er das Niedersächsische Künstlerstipendium in Bleckede, und jetzt braucht er einem Titel für ein Bild aus jenen Tagen. Er sucht in der Landkarte nach einem Dorf bei Bleckede: „Die Titel sollen ohne Hinweis sein, nur für mich etwas bedeuten.“

Wo die Bilder entstehen, im Berliner Atelier, liegt und hängt der ganze Raum voller Arbeiten in den verschiedensten Fertigungsstadien. Eine Staffelei benutzt Hartmann nicht. Und wenn er dann den Raum betritt, ist es oft „wie eine Ernte“, er kann sich aus dem Fundus der Halbfertigprodukte bedienen. Was letztlich draus wird, weiß er selbst zuallerletzt. Nur eins ist sicher: „Querformat gibt Stadtlandschaft, Hochformat Figur.“ Hoch, ja sicher, das ist auch Hartmann. Sucht erzeugen indes seine Stadtbilder. Burkhard Straßmann

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