piwik no script img

Absteigen oder zehn Mark her!

■ Ein Blick in den Bußgeldkatalog für RadlerInnen/Brenzlig: Überholen auf dem Radweg

Kein Klingeln hatte die Radfahrerin vorgewarnt: Auf dem schmalen Radweg drängelte sich links an ihr vorbei ein Radfahrer. Bei dem Überholmanöver schubste er die Radfahrerin so, daß sie stürzte. Der Mantel hat ein Loch, die Strümpfe auch, Knie und Ellbogen sind aufgeschürft, Klingel kaputt, Bremse verbogen. Hat sich der Mann ordnungswidrig verhalten? Nicht direkt, sagt Wolfgang Reiche vom Landesverband des ADFC, denn rechts zu überholen ist verboten. Ihm fällt da sowieso zuerst mal die Forderung der Fahrradlobby nach mindestens 2,50 Meter breiten Radwegen ein. Dann käme es gar nicht erst zu solch brenzligen Situationen.

Ansonsten rät Reiche langsameren FahrerInnen, auf dem Radweg möglichst rechts zu fahren, denn erlaubt sei das Überholen nun mal nur auf der linken Spur. Und eiligeren FahrerInnen gibt Wolgang Reiche diesen Tip: Keinesfalls die Leute wegklingeln, sondern mit „einem Liedchen auf den Lippen oder mit Pfeifen“ deutlich machen, daß jemand von hinten kommt.

Links zu überholen ist korrekt, aber gefährlich. Rechts zu überholen ist nicht erlaubt, allerdings oft ungefährlicher. Daß das Überholen auf Radwegen eine vertrackte Sache ist, gibt auch Volker Scharff vom Polizeipräsidium zu. Wenn aber ein Überholen nicht möglich ist, dann hat es eben zu unterbleiben, findet er. Rechts über den Gehweg zu überholen, sei jedenfalls nicht gestattet und werde mit 10 Mark geahndet wenn niemand gefährdet wurde. Der Überholende muß sich übrigens, so Scharff, nicht bemerkbar machen, sollte es aber.

Der Beamte vermutet, daß es viel mehr Unfälle zwischen RadfahrerInnen gibt als zwischen RadlerInnen und Autos. Die meisten würden allerdings nicht gemeldet. Besonders stark nähmen die Radunfälle der 14-16jährigen zu: Die nämlich fahren häufig mit Mountain-Bikes, Fahrrädern also, die geradezu zu einer „erlebnisorientierten Fahrweise reizen“, so Scharff.

Wenn auch die Erwachsenen vielleicht nicht so häufig „erlebnisorientiert“ radeln, so doch trotzdem noch oft genug verkehrswidrig: Auch das Abbiegen ohne Handzeichen mit 10 Mark bestraft; werden dabei andere gefährdet, kostet es 30 Mark. Am ehesten bekannt dürfte noch die Strafe für das Fahren auf der falschen Seite sein: 10 Mark. Fährt man an haltenden Bussen oder Bahnen auf dem Radweg vorbei und behindert dabei Aussteigende, kostet das 40 Mark, ohne Behinderung 20 Mark. Können Unfälle gerade noch durch die Geistesgegenwart der Aussteigenden vermieden werden, macht das einen 50er, denn hier liegt eine „Gefährdung“ vor.

Das sind alles Verwarnungsgelder. Als Bußgelder werden „Strafen“ ab 80 Mark bezeichnet: Fährt ein Radler über die Kreuzung, obwohl die Ampel schon seit mehr als einer Sekunde Rot zeigt, kostet das 125 Mark und einen Punkt auf dem Autofahrerkonto in Flensburg.

Billig dagegen die Freiheit, durch die Fußgängerzone oder verkehrtherum durch die Einbahnstraße zu düsen: zehn Mark. Doch belangt wird sowieso fast niemand: Räder haben keine Nummernschilder. cis

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen