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Eine Fabrik für die Weiber-Wirtschaft

■ Größtes Gründerinnenzentrum der Bundesrepublik soll 1995 fertiggestellt sein / Dort sollen 40 bis 50 Frauenbetriebe entstehen / Kaufpreis konnte um acht Millionen Mark heruntergehandelt werden

In den gelbgefliesten hohen Räumen herrscht gähnende Leere. Auch der alte Pferdestall im dritten Hinterhof macht einen verlassenen Eindruck. Der verrostete Lastenaufzug steht schon lange still – nur die bereits abgerissenen Pappfliesen Marke „Holzimitation“, die sich im Hof stapeln, und einige mit Baumaterial vollgestopfte Container weisen daraufhin, daß sich die alte Kosmetikfabrik in der Anklamer Straße im Bezirk Mitte in den nächsten Wochen in eine große Baustelle verwandeln wird.

Bis 1995 soll in dem Backsteinhaus aus dem 19. Jahrhundert das größte Gründerinnenzentrum der Bundesrepublik unter der Trägerschaft der Frauengenossenschaft „WeiberWirtschaft“ entstehen. „Wir wollen hier langfristig 200 Arbeitsplätze für Frauen schaffen“, sagt WeiberWirtschaft-Mitarbeiterin Monika Damm. Im Ausnahmefall könnten auch Männer in den Betrieben arbeiten, nicht aber der Genossenschaft beitreten, in der es bisher rund 67O Mitgliedsfrauen gibt. Aber: Männliche Kunden sind in dem späteren Gewerbe- und Diensleistungshof „ausdrücklich“ erwünscht.

Auf ingesamt 5.500 m2 sollen im vorderen Teil des Hauses ein Restaurant, Ärztinnen- und Anwältinnenpraxen, ein Strumpfgeschäft und ein Frisör entstehen. Im hinteren Teil wollen sich, so Monika Damm, eine Druckerei und eine Goldschmiedin niederlassen. Ein Kindergarten und ein Neubau mit 13 Wohnungen sind ebenfalls geplant. Insgesamt sollen 40 bis 50 verschiedene Betriebe, Dienstleistungen und Projekte ein neues Dach über dem Kopf bekommen.

Billig wird die Miete auch in der Anklamer Straße nicht sein: „Wir müssen 25 Mark pro Quadratmeter nehmen, bei den Ladengeschäften sogar etwas mehr“, sagt Monika Damm bedauernd, „sonst können wir uns nicht tragen.“ Daß die Gründungsfrauen wirtschaftlich die Nase vorn haben, hat sich auch bei den langwierigen Verhandlungen mit der Treuhandanstalt gezeigt: Um acht Millionen Mark konnte der Kaufpreis heruntergehandelt werden – 12,3 Millionen Mark mußte WeiberWirtschaft mit Hilfe von Krediten, Eigenkapital und Zuschüssen von den Senatsverwaltungen für Wirtschaft und Bau schließlich für die Kosmetikfirma zahlen.

Daß in den nächsten Monaten ausschließlich Frauen das 130 Jahre alte Gebäude sanieren und instand setzen, bleibt ein Wunschtraum für die Gründerinnen: „Wir haben zwar auch gezielt Frauenkollektive für die Bauarbeiten angesprochen, aber die Firma mit den besten Konditionen müssen wir nehmen.“ Im Zweifelsfall eben auch Betriebe, in denen nur Männer arbeiten. Julia Naumann

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