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DVU: „Schmutz und Schund“ Schund“Weserkurier

■ DVU-Antrag schweißt Abgeordnete zu Fans moderner Kunst zusammen

Da ist er sich ganz sicher, der DVU-Abgeordnete Hans-Otto- Weidenbach: 99 Prozent der BremerInnen finden moderne Kunst „abstoßend und häßlich“. Eine Umfrage gemacht hat er allerdings nicht. Die LeserbriefschreiberInnen jedenfalls, die sich im „Weserkurier“zum Thema „Kunst auf dem Remberti- Kreisel“ geäußert haben, sprachen nie von „Ekel“, „Schmutz und Schund“, wie Weidenbach es gestern vor dem Landtag tat. Weidenbach aber sah sich als Rächer der „verhöhnten“ SteruerzahlerInnen und forderte: Keine Steuergelder mehr für „Antikunst“.

Wacker klopften seine beiden FraktionskollegInnen Beifall. Beistand erhielten sie auch von anderer Seite: Auf der Besucherempore saß Sven Eggers, Chefredakteur der Deutschen Wochenzeitung und Statthalter von Parteichef Frey, eigens angereist von München. Immer wieder lächelte die DVU-Abgeordnete Marion Blohm zu ihm hinauf. Die Abgeordneten der anderen Fraktionen dagegen brachen während Weidenbachs Rede mal in laute Empörung aus, mal bogen sie sich vor Lachen.

„Sie haben gut von Hitler gelernt“, bescheinigte Annelene von Schönfeldt (FDP) anschließend der DVU. Auch der habe versucht, Kunst für politische Propaganda zu mißbrauchen. Genauso wie Stalin. „Gottseidank“ garantiere das Grundgesetz die Freiheit der Kunst.

Schönfeldt erinnerte daran, daß sich über moderne Kunst zu jeder Zeit die Leute gestritten haben, zum Beispiel Anfang dieses Jahrhunderts, als die Kunsthalle einen Van Gogh kaufte. Zum Beispiel Anfang dieses Jahres, als in Bremen der Neptunbrunnen aufgestellt werden sollte. Und wie beliebt sei der mittlerweile! Auch Jörg Kastendiek von der CDU konnte sich angesichts der Besucherzahlen in den Bremer Museen nicht recht vorstellen, daß die BremerInnen dem Antrag der DVU zustimmen würden. Er packte den Abgeordneten Weidenbach noch von einer anderen Seite: Ein Heuchler sei er, denn ansonsten habe er noch nie den Mund aufgetan in der Kulturdeputation, sich dort ohnehin nur einmal für fünf Minuten sehen lassen - als es um die Wahl eines Sprechers ging.

Hätten die Abgeordneten der CDU, der FDP, der SPD und der Grünen alleine über die Förderung von moderner Kunst streiten müssen, hätte es möglicherweise ganz unterschiedliche Stimmen gegeben. Die DVU jedoch schweißte die übrigen Fraktionen geradezu zu Fans von moderner Kunst zusammen. Hatte die DVU ein „optimistisches Menschenbild“ in der Kunst gefordert, so schmetterten die anderen dieses Credo: „Kunst soll nicht nur erfreuen, sondern auch zum Nachdenken anregen und Meinungen und Standpunkte in Frage stellen“.

Genau, fand auch Wolfram Sailer von den Grünen, „Kunst ist nicht nur das Wahre, Gute und Schöne“. Zum Beispiel die mit Steinen gefüllten Kartoffelsäcke auf dem Rembertiring. Die bezögen sich auf die Obdachlosigkeit der Junkies, und wenn was häßlich sei, dann die Tatsache, daß es in Deutschland Obdachlsogkeit gebe. Und was die „Verschwendung“ von Steuergeldern betreffe: Mit insgesamt 80.000 Mark für elf KünstlerInnen sei die Aktion eine „gelungene und preiswerte Provokation“.

Viele guten Worte für die Kunst. Kultursenatorin Helga Trüpel jedoch gestand auch den Kunst-HasserInnen ein Recht zu: „Es ist unser Recht, in Fragen der Kunst zu lieben und zu hassen“ – solange der Haß einer persönlichen Überzeugung entspräche und sich der Auseinandersetzung stelle. Genau diesen Streit müsse die Behörde fördern., in Schulen, in Betrieben ... Da mache gerade das Museum Weserburg mit seiner Pädagogik-Abteilung gute Arbeit. Alle „Kunst im öffentlichen Raum“ werde vor der Aufstellung in den Beiräten diskutiert. Allerdings, gab sie gegenüber der taz zu, „es gibt einen Nachholbedarf bei der Vermittlung“. Und dann, schon fast trotzig: „Die Leute müssen die Vermittlungsangebote aber auch wahrnehmen.“ cis

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