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■ Die Europäische Union tritt in die zweite Phase ein – doch die Einführung der gemeinsamen Währung rückt in weite FerneAuftakt zum Hickhack

Wie der Start eines Weltraumfluges klingt es, wenn die EU-Regierungen zum Jahresbeginn den „Eintritt in die zweite Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion“ nach dem Maastricht-Vertrag bejubeln. Doch die zweite Stufe ist so konstruiert, daß nichts zündet und auf das Publikum in den zwölf Ländern garantiert kein Funke überspringt. Die zweite Maastricht-Stufe ist nämlich die, in der die EU-Länder ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik so weit aneinander annähern sollen (Konvergenz), daß in der dritten Stufe das gemeinsame Euro-Geld von der Eurozentralbank an alle EU-Völker verteilt werden kann.

Dabei aber sind die wichtigsten Konvergenzkriterien (höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts als Staatsverschuldung, über einen längeren Zeitraum niedrige Inflationsraten) so eng definiert, daß das Euro-Geld heute Lichtjahre entfernt scheint, auch wenn es eigentlich spätestens 1999 eingeführt werden sollte. Schließlich hat das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts jenseits politischer Absichtserklärungen auch rechtlich festgeschrieben, daß solange, wie die Konvergenzkriterien nicht wortwörtlich erfüllt sind, kein Euro-Geld auf den Markt kommt. Und so muß der Termin immer weiter nach hinten verschoben werden – notfalls auf den Sankt- Nimmerleins-Tag.

Die Wächter darüber, ob auch jedes Land an der gemeinsamen Wirtschaftspolitik mitarbeitet, verfügen über keinerlei Sanktionsmacht. Das Schlimmste, was einer nationalen Regierung passieren kann, ist, daß sie von einer Mehrheit des EU-Ministerrats öffentlich getadelt wird – was Großbritanniens Regierung etwa durchaus zupaß käme, weil es zu Hause als europafeindliches Gebaren ausgeschlachtet werden könnte. Auch das Europäische Währungsinstitut (EWI), auf dessen Sitz in Frankfurt die Bundesregierung so stolz ist, kann gar nichts anderes tun, als bei den nationalen Zentralbankpräsidenten beständig die gemeinsamen Ziele in der Geldpolitik anzumahnen.

In der Umsetzung des Maastricht-Vertrages zeigt sich deutlich, daß es wenig Sinn macht, den Weg wirtschaftlich zu betonieren, wenn man sich letztlich über das Ziel eines vereinten Europas politisch gar nicht einig ist. Die engen Kriterien werden darum vor allem den grundsätzlichen Europagegnern bei ihrer Verhinderungsstrategie nützen. Selbst die Kernländer der EU – Frankreich, Deutschland, die Beneluxstaaten und Dänemark – dürften es, angesichts ihrer Haushaltsverschuldung in Zeiten der Rezession und wachsender Arbeitslosigkeit, kaum schaffen, die Konvergenzkriterien zu erfüllen und eine Wirtschafts- und Währungsunion vor der Jahrtausendwende zu bilden.

Gerade die erklärten Europafreunde, allen voran Helmut Kohl, haben die Idee einer Europäischen Union durch das Konstrukt der zweiten Maastricht- Stufe kräftig gebremst. Europa – das wird mit Beginn dieses Jahres vor allem ein Hickhack um Haushaltsverschuldungsprozente und Wechselkursschwankungen sein – und damit gute Wahlkampfmunition für Nationalisten. Donata Riedel

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