■ Dokumentation: In Sachen Völkermord
Zu dem Haftbefehl wegen Beihilfe zum Völkermord gegen den 28jährigen Serben erklärte die Bundesanwaltschaft gestern:
„[...] Aufgrund der bisherigen Ermittlungen ist [...] von folgendem dringenden Tatverdacht auszugehen:
Erkenntnisse der Vereinten Nationen, des Europäischen Rates, des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag und des US-Außenministeriums beinhalten die Feststellung, daß im früheren Jugoslawien, vor allem in Bosnien-Herzegowina, von den Serben eine Politik der ,ethnischen Säuberung‘ gegenüber der muslimischen Bevölkerung betrieben wird. Durch Mord, Vergewaltigung, Auslöschung ganzer Dörfer und Deportation verfolgen die Verantwortlichen in ihrem Eroberungs- und Vernichtungskrieg das Ziel, die nicht-serbische Bevölkerung so zu dezimieren und zu zermürben, daß sie sich gegen die Herrschaftsansprüche der Serben und eine Zurückdrängung in ein oder zwei Provinzen nicht mehr zur Wehr setzt. Dies begründet den dringenden Tatverdacht des Völkermordes (Paragraph 220a Strafgesetzbuch). Angehörige der als religiöse und ethnische Gruppe in Bosnien-Herzegowina lebenden Moslems werden getötet, ihnen werden schwere körperliche und seelische Schäden zugefügt. Die Wegnahme und Zerstörung der den Moslems gehörenden Häuser, die Verschleppung der Betroffenen in Konzentrationslager sowie die Deportation der Moslems stellen diese Gruppe unter Lebensbedingungen, die geeignet sind, deren körperliche Zerstörung ganz oder teilweise zu bewirken.
Im Konzentrationslager Omarska [...] hielten die Serben im Sommer 1992 etwa 3.500 bosnische Moslems gefangen. Dort kam es zu schwersten Körperverletzungen und systematischen Ermordungen. Hieran soll sich der Beschuldigte u.a. wie folgt beteiligt haben:
Anfang Juni 1992 mißhandelte er mit mehreren Begleitern in einem Haftraum mehr als 150 Gefangene durch Schläge mit dem Gewehrkolben derart massiv, daß eines der Opfer dauernde Schäden erlitt. An einem nicht mehr genau feststellbaren Tag Mitte Juni 1992 mißhandelte er mit Gewehrkolbenschlägen erneut drei Gefangene und zwang einen weiteren Internierten, den Opfern solche Verletzungen beizubringen, daß diese nach wenigen Stunden verstarben.
[...] Die Strafverfolgungskompetenz der deutschen Behörden und Gerichte folgt nach der Entscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes aus der Anwendung des Weltrechtsprinzips des § 6 Nr. 1 und 9 des Strafgesetzbuches. Danach ist deutsches Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts und der Staatsangehörigkeit des Täters und des Opfers bei international geschützten Rechtsgütern, hier bei Völkermord (Nr. 1) und bei Straftaten, die aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen zu verfolgen sind, auch wenn sie im Ausland begangen werden (Nr. 9), anwendbar.“
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