: „Ich bin nicht der Polizist“
■ Bremen nebenan: der Gewoba-Hauswirt, der seine Mieter „Kunden“ nennt
Er trägt eine abgedunkelte Brille, als könne er auf diese Weise etwas Abstand halten, aber sein Vorgesetzter sagt vom ihm: „Seine Wellen sind sensibler als bei anderen Kollegen“. Siegfried Wolfram, 35 Jahre alt, ist seit fünf Jahren Hauswart der Gewoba-Wohnanlagen in Gröpelingen. Mit Schwerpunkt in der Posener- und Brombergerstraße, dort stehen angenehme, rötliche Backsteinbauten im Stil der späten 30er Jahre, mit denkmalgeschützten Giebeln, kleinen Vorgärten, mit verbindenden Gängen und Freizeitmöglichkeiten für insgesamt 732 Mietparteien.
Viele alte ErstmieterInnen gibt es hier, die früher bei Use Akschen, der alten AG-Weser-Werft waren, viele junge Familien, darunter fünfzehn Prozent AusländerInnen, kaum Leute im mittleren Alter. „Ich darf und will nicht den Kunden gegenüber als finsterer Mann auftreten“, sagt Hauswart Siegfried Wolfram, „auch wenn natürlich ab und zu gepöbelt wird“. Er sagt immer „Kunden“ zu den MieterInnen, damit gar nicht erst ein schiefes Bild entsteht.
„Klar bin ich manchmal der Sündenbock, wenn eine Kündigung ausgesprochen werden muß, oder gar eine Räumung. In meinem Büro fließen durchaus Tränen. Und ich bin es ja, der mit dem jungen Alkoholiker sprechen muß, wenn der nachts mal wieder überall geklingelt und an die Türen geschlagen hat. Ich muß für Ordnung sorgen, aber ich bin nicht der Polizist.“
Der Arbeitsalltag strukturiert sich immer wieder neu durch die „Grundmonotonie des Hausmeisterjobs“, wie Wolfram es nennt: Wohnungsabnahmen- und übergaben, Routinebesichtigungen auf Bauschäden und Bearbeitung der Kündigungsstapel, Pflege der Anlage und die Kontrollgänge, wo ihn mal eben schnell die Leute zwischendurch ansprechen, wenn sie die tägliche Sprechstunde verpaßt haben.
Wolfram weiß aber auch gut Bescheid über Beratungsstellen und Hilfsorganisationen für Suchtprobleme und wo man finanzielle Hilfen beantragen kann. Er hat das „Friedensfest“ in Gröpelingen mitbegründet und lädt die so unterschiedlichen MieterInnen zum jährlichen Sommerfest ein, weil er sich für die allgemeine Stimmung in der Wohnanlage mitverantwortlich fühlt.
Wegen einer jungen Drogensüchtigen, deren allmählichen Verfall er mitbekam und die ein kleines erschrockenes Kind hat, war er neulich bei einer Informationsverantstaltung über die Probleme alleinstehender abhängiger Mütter. „Sowas ist schlimm für mich - ich sehe die Mutter, ich sehe das Kind und kann nichts tun.“ Abends redet er dann mit seiner Frau über „seine Mieter“, dabei weiß Wolfram selbst, daß auch er mal abschalten müßte, daß er nicht der Sozialarbeiter, sondern eben der Hauswart der Gewoba ist.
Wolfram lebt selbst seit 20 Jahren in Gröpelingen und liebt diesen Stadtteil, „weil hier alles in Bewegung ist und sich die Menschen trotz aller Schwierigkeiten immer wieder aufrappeln.“ Wie viele Hauswarte ist er erst nach vorheriger Arbeitslosigkeit und allerlei anderen Jobs an seinen Beruf gekommen. Dekorateur war er schon und Klempner, in einer Zigarettenfabrik hat er gearbeitet und bei Klöckner.
Er ist seinen Mietern sehr nah, zu nah manchmal vielleicht, denn gerade hatte er einen Hörsturz: „ da war sicher der untergründige Streß daran Schuld.“ - Zwei Wochen war der Hauswart krank, jetzt raucht er wieder, Gott sei Dank.
Cornelia Kurth
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