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Knete aus dem Schlitz

Die Computerbranche und die Banken setzen auf einen Boom der neuen Chipkarten / Datenschützer warnen vor digitaler Geldbörse  ■ Von Jürgen Bischoff

Berlin (taz) – So ist das mit den Versprechungen: Nur jede zweite Telefonzelle sollte nach den verkündeten Plänen der Telekom mit einem Kartentelefon ausgestattet werden. Vandalismus und Münzenklau sollten gebremst, Münztelefone weiterhin verfügbar sein für all diejenigen, die noch mit Groschen in der Tasche herumlaufen.

Ihnen fehlt etwas, wenn sie anrufen wollen. Wer sich zum Beispiel in Berlin auf die Versprechungen der Telekom verläßt, ist verraten und verkauft. Münztelefone sind in der Hauptstadt so rar geworden wie Luchse in den deutschen Wäldern. Touristen machen ähnliche Erfahrungen wie schon seit Jahren in Frankreich. Ohne eine Telefonkarte können sie praktisch kein Gespräch mehr von einer öffentlichen Telefonzelle führen.

Wer darf Geld auf Plastikkarten drucken?

Aber das freut die Telekom. Sie ist den Franzosen auf der Spur: Absatzzahlen für die zwangsfreiwilligen Telefonkarten zeigen ähnliche Tendenzen wie drei Jahre zuvor im westlichen Nachbarland. Statistisch kauft mittlerweile jede und jeder Bundesdeutsche eine Telefonkarte pro Jahr.

Euphorie löst aber die nächste Generation aus. Chipkarten im Telekommunikationsbereich – ein anderes, technisch schon anspruchsvolleres Einsatzfeld sind die Zugangskarten zum Mobiltelefon – sind die Einstiegsdroge in einen Markt, der mit Wachstumszahlen von 30 bis 45 Prozent lockt. Und hier tummelt sich zur Zeit neben der Telekommunikationsindustrie auch die Geld- und die Gesundheitsbranche. Bald schon sollen die Scheck- und Kreditkarten mit Magnetstreifen abgelöst werden durch die PVC-Scheiben, die immer mehr als eigenständiger Computer funktionieren. Nicht mehr nur reine Informationsspeicher verbergen sich unter der Oberfläche, sondern ganze Prozessoren, die Informationen auch verarbeiten können. So soll, geht es nach dem Willen der Banken, die Chipkarte demnächst fälschungssichere Informationen über den Kunden und sein Konto enthalten. Damit werde die Abrechnung vereinfacht und verbilligt.

Eine andere Variante heißt „elektronische Geldbörse“. Statt Bargeld steckt nur noch Plastik in der Tasche. Auf dem Chip ist ein Guthaben gespeichert, das nach und nach abgebaut wird. Signalisiert das Lesegerät Ebbe, kann das digitale Portemonnaie am nächsten Bankautomaten gegen Verrechnung mit dem persönlichen Girokonto wieder bis zur Maximalsumme von 999 Mark aufgefüllt werden.

Die Apologeten wollen diese Idee vor allen Dingen damit schmackhaft machen, daß dann Wechsel- und Kleingeld nicht mehr nötig und – anders als beim Bezahlen mit der Kredit- oder Euroscheck-Karte – der Datenschutz dennoch gewährleistet sei. Eine On-line-Verbindung zwischen Geschäft und Kontoführungs-Computer werde nämlich nicht benötigt.

Doch hinter den Kulissen wird hart gefightet. Konkurrenz droht den Banken vom Handel und anderen interessierten Firmen, wie etwa der Berliner Verkehrsgesellschaft, die ein Pilotprojekt „elektronische Geldbörse“ vorbereitet. Ist das Guthaben auf der Chip- Karte noch Geld? Das ist eine entscheidende Frage, um deren rechtsgültige Definition sich die Banken gerne herumdrücken. Gegenüber der Konkurrenz betonen sie die Geldfunktion, um ihr damit die Legitimation zur Ausgabe solcher Karten abzusprechen. Intern dagegen gilt die Chipkarte nicht als Geld, denn sonst könnten die Banken mit dem Guthaben nicht mehr zinsbringend arbeiten, sobald es im Automaten auf den Chip umgebucht wird. Kommende Einsatzgebiete für die Chipkarte liegen bei der Krankenversicherung, wo sie Zug um Zug schon eingeführt wird, und im Verkehr, Stichwort „Road Pricing“. Beides wird von der Branche als durchaus heikel betrachtet. Die Durchsetzbarkeit in der Bevölkerung steht auf dem Spiel. Denn seit langem warnen Datenschützer vor der Krankenkassenkarte, die den Krankenschein ersetzen soll. Sie befürchten, daß nach einer Gewöhnungsphase die Karten als Grundbaustein für ein Gesundheitszentralregister genutzt werden könnten.

Rasterfahndung an jeder Autobahn

Unsichtbare Daten, abgespeichert im Chip, können nicht nur von den Ärzten, sondern möglicherweise auch von den Personalabteilungen der Arbeitgeber gelesen werden. Auch die bislang politisch immer wieder abgewehrte Meldepflicht für Aids-Fälle (oder andere zukünftig prekäre Epidemien) ließe sich durch zusammengeführte Chipkartendaten durch die Hintertür realisieren. Vor nichts mehr haben Kartenhersteller und Krankenkassen Angst, als vor einem Scheitern der weichen Einführung. Erste Denkansätze zur Sabotage der Krankenkassen-Chipkarte in der volkszählungserprobten Szene dürften aufmerksam verfolgt werden.

Mit einem noch größeren Widerstandspotential rechnet die Elektronikindustrie an der Autobahn. Von Bosch über Siemens bis zur Stuttgarter Alcatel-SEL haben die Großen der Branche Systeme für die Abrechnungen von Straßenbenutzungsgebühren ausgearbeitet. Auf der Autobahn Köln– Bonn werden derzeit Geräte verschiedener Hersteller installiert, um in einem Großversuch die Tauglichkeit zur Gebührenerfassung zu kontrollieren. Mit einer Chipkarte im Auto soll das Entgelt möglichst gestaffelt nach Tageszeit abgerechnet werden.

Dieter Klumpp von der Alcatel- SEL auf die Frage nach den Daten über persönliche Fahrtrouten, die daraus gewonnen werden könnten: „Es wird nur eine vorausbezahlte Karte eingesetzt werden. Darauf haben sich schon alle relevanten Hersteller geeinigt. Wir lassen uns da nicht mehr von möglichem Datenschützerwiderstand überraschen.“ Das zielt auf den ADAC, der in seinem Kampf gegen „die zunehmende Ausbeutung der Autofahrer“ den Datenschutz entdeckt hat und sich in populistischer Manier plötzlich an den Erfolg des Volkszählungsboykotts erinnert.

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