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Wenn Frauen Frauen lieben

■ Von sexuellen Dienstleistungen oder: Lesbische Sexarbeiterinnen wollen "alle Möslichkeiten ausschöpfen" / Vor Bigotterie auch Lesbenszene nicht gefeit

Laura Méritts* Küche verheißt eine andere Sinnlichkeit als die, die aus vollen Kochtöpfen kommt. Der Raum dient als „Sexclusivitätenladen“, ein Basar voller erotischer toys (Sexspielzeuge): Dildos, Silberkugeln und andere Gerätschaften, ausschließlich für Frauen und zu deren Lustgewinn hergestellt.

Der „Sexclusivitätenladen“ ist Bestandteil eines lesbischen Sexnetzwerks, und Laura Méritt zählt zu den Berliner lesbischen Sexarbeiterinnen, die unter dem Namen „Club Rosa“ sexuelle Dienstleistungen für Frauen anbieten. Ein heikles Unterfangen, denn die heilige Dreifaltigkeit Sex, Geld und Frauen ist hier gleich mit einem doppelten Tabu belegt.

Laura Méritt, seit Jahren aktiv in der Hurenbewegung „Nutten & Nüttchen“, und die anderen Sexpertinnen verstehen sich als professionelle Sexerzieherinnen und Begleiterinnen in der Nachfolge griechischer Hetären. Ihr Escort- Service vom „Club Rosa“ hat den Anspruch, „mit Frauen anders umzugehen“. Mit Männern sei es einfach, eine schnelle Nummer abzuziehen, so Laura. Doch „Club Rosa“ will seine Kundinnen mit psychologischem Gespür von Schnupper- und Kennenlernstunden über Rollenspiele hin zur Wahrnehmung verborgener sexueller Bedürfnisse führen.

Es gab schon Frauen, mit denen sie deren lesbisches Coming-out gefeiert haben. „Club Rosa“ kann auf Dankesbekundungen, Postkärtchen und Anrufe verweisen. Als „total gut“ hat so manche „Club Rosa“-Kundin den Sexdienst in Erinnerung und macht Mundpropaganda. Manche Frau kommt immer wieder, sogar eigens von München oder Duisburg aus angereist, um die neue Lust mit den Sexarbeiterinnen anschließend in ihre Beziehung zurückzutragen. „Als hätten sie darauf gewartet“ und „Da liegt ja soviel brach“ – so beschreibt Laura Méritt, vielleicht etwas zu leuchtenden Auges, die Erfahrungen mit den Kundinnen.

„Club Rosa“ geht auf eine Initiative von lesbischen Sexarbeiterinnen aus der Hurenbewegung zurück. Auf Lesbenwochen und anderen Treffen erkundete frau den Bedarf an lesbischen sexuellen Dienstleistungen. Die Resonanz war wohl mehr als ermutigend. „Warum gibt es nichts für Frauen?“ war die Frage, die einer praktischen, aber auch praktikablen Antwort harrte. Prinzipiell verfügen Frauen immer noch über weniger Geld als Männer. Der Schritt zum Sex als einer Dienstleistung, die frau sich gönnt und für die sie bezahlt, blieb und bleibt nicht nur wegen des Mindesttarifs von 150 Mark pro Stunde problematisch. Moralische Bigotterie verschont auch die Lesbenszene nicht. Lesbenzeitungen weigerten sich, überhaupt Diskussionen über bezahlten lesbischen Sex zu führen und veröffentlichten auch keine Anzeigen. Inseriert wurde in einem Stadtmagazin, das auf Hochglanzpapier erscheint, nachdem seine sich sonst links und liberal gebende Alternative die Annahme von Chiffre-Anzeigen ebenfalls verweigert hatte.

Inzwischen gehören Frauen im Alter zwischen 20 und 70 Jahren, Studentinnen, Apothekerinnen, verheiratete Hausfrauen ebenso wie gutsituierte Karrierefrauen zur Klientel der lesbischen Sexarbeiterinnen. Die definieren sich in US- amerikanischer Tradition als „Avantgarde der Frauenbewegung“, sind der Erfahrung halber alle um die 30 Jahre alt und bedienen grundsätzlich nicht mehr als eine Kundin am Tag, im „Nebenberuf“. Ob es immer so konfliktarm abgeht, als gewissermaßen idealistische Hure mit ausgeprägtem Sinn fürs Geschäftliche zu praktizieren, sei dahingestellt.

Die lesbischen Sexarbeiterinnen sehen sich als Fachfrauen für Technik, Psychologie und Ökonomie. Sie wollen die Bedingungen einer männlich dominierten Sexindustrie, wenn sie schon mal existiert, mitbestimmen und durch eigene Angebote wie den „Sexclusivitätenläden“ oder Frauenpornos verändern.

Laura Méritt schreibt, nachdem sie gerade einen Berliner Lesbenstadtplan herausgegeben hat, an einem lesbischen „Sexikon“, das im Herbst im Verlag Krug & Schadenberg erscheinen soll. Sie hält Seminare wie das über Körperpolitik bei den Kulturwissenschaftlern der Humboldt-Uni und tritt mit ihrem Köfferchen voller toys in Frauenzentren und schwul-lesbischen Projekten auf.

Das lesbische Sexnetzwerk, zu dem außer dem „Sexclusivitätenladen“ und Escort-Service auch lesbische Filmgruppen, Sexworkshops und Erotikverlage wie der von Claudia Gehrke gehören, leistet für Laura Méritt „Entwicklungsarbeit in einer erotischen Trümmerlandschaft“. „Lust kommt schließlich von lustig“, sagt Laura, pfeift auf alle „mackademische Theorie“ und prophezeit einen „lesbischen Sexzess“, der „um die Jahrtausendwende kommen wird“. Wenn das nicht ein bißchen verfrüht ist. Anke Westphal

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