: Mapas als neue Helden?
■ Kinder, Küche und Karriere - wer hilft dem Mann? Von Kaija Kutter
Wer sich die Kontaktanzeigen in der „Szene“ durchliest, stößt auf ein Phänomen: Zwei bis dreimal mehr junge Männer im Alter zwischen 30 und 40 suchen den Anschluß ans weibliche Geschlecht als umgekehrt. Beruflich sind die Annonceure meist schon aus dem Gröbsten raus, bezeichnen sich als „erfolgreich“ und suchen eine „vertrauensvolle Partnerschaft“.
Es sei heutzutage fast unmöglich, auf „freier Wildbahn“ eine Frau um die 30 kennenzulernen, stöhnt ein paarungswilliger Diplomphysiker. Die nächtlichen Durchhalteexzesse in Hamburgs Diskotheken brächten ihn lediglich mit ganz jungen Frauen zusammen. Aber die passen dem 35jährigen arithmetisch nicht ins Konzept. „Die Frauen von heute können sich selbst finanzieren“, erklärt sich ein 32jähriger Augenarzt den Mangel an adäquaten Partnerinnen.
Haben die Männer ein Problem? Ist das Pendant zur tapferen alleinerziehenden Mutter der einsame Großstadt-Karrierist? Wagen, Wohnung, Video hat er schon, was er braucht, ist eine Partnerin? Anders gefragt: können Männer es schaffen, Karriere und Familie zu vereinbaren? Oder bekommen sie zunehmend Schwierigkeiten damit?
Eine bewußt provokante Frage, mit der Hamburgs Jugendamtsleiterin Gitta Trauernicht am Dienstag im Haus der Jugend Steilshoop eine fünfteilige Veranstaltungsreihe zum „Internationalen Jahr der Familie“ eröffnete. Doch die Verhältnisse, sie sind noch nicht so. Schon biologisch bedingt sind es die Frauen zwischen 30 und 40, die vor der Alternative stehen: Kinder oder keine. Ganz und gar auf Beruf setzen oder in mühseliger Weise den Grundstock dafür legen, daß einen im Altenheim später vielleicht sogar Enkelkinder besuchen?
Nun sind die Frauen von heute nicht mehr die von vor 20 Jahren. Quer durch alle sozialen Schichten haben junge Frauen heute einen „doppelten Lebensentwurf“, der beides einschließt, berichtete die Sozialpädagogin Birgit Geissler. Die Frauen haben einen Anspruch auf partnerschaftliche Arbeitsteilung, „wenn das nicht funktioniert, steht für sie die Trennung an“. Und es funktioniere meist nicht. Wundersamer Weise übernehme auch in den Partnerschaften, in denen die Arbeit früher geteilt wurde, nach der Geburt eines Kindes die Frau die Hausarbeit.
Dem Vortrag der Fachhochschul-Professorin ging ein kurzer geschichtlicher Abriß über die Rolle des Vaters von ihrem FH-Kollegen Manfred Neuffer voran. Sein Fazit: Während die Vaterschaft im alten Israel noch eine in sich geschlossene Funktion gehabt habe - Versorger, Lehrer, Richter, Stellvertreter Gottes -, habe sich dies durch zunehmende Eingriffe des Staates gewandelt. Heute, wo die Frau selbst für ihren Lebensunterhalt sorgt, sei der Vater letztlich sogar ganz entbehrlich, „die Samenbank genügt“.
Neuffer, eingeladen, den Männern Mut zu machen, wandte sich gegen die ewige „jammernde Opferhaltung“ der Frauen. Statt aus „schuldbewußter Unsicherheit“ heraus den Müttern immer ähnlicher zu werden, ja sich zu „Müttern ohne Brust“, zu „Mapas“ zu verwandeln, sollten die Männer sich kritisch mit der „Rest-Vaterrolle“ auseinandersetzen. Die da wäre: den Kindern, besonders den Söhnen, zu helfen, eine männliche Identität zu entwickeln. Ein Gegenpol zur Mütterlichkeit zu sein. „Wir brauchen nicht schon wieder neue Helden!“ warnte Neuffer vor der Glorifizierung der „neuen Väter“. Praktisch empfahl der fünffache Vater, das im Beruf erworbene Organisationstalent auch im Haushalt einzusetzen und - noch wichtiger - vor der Geburt des Kindes einen Vertrag zu schließen, wie lange welcheR der PartnerInnen sich beurlauben läßt.
Der Knackpunkt, an dem sich die anschließende Diskussion im Kreis drehte. Denn das Risiko, sich via Babypause dem Beruf zu entfremden, tragen zu 97 Prozent die Frauen. Obwohl es ihr Recht ist, nehmen lediglich 2 Prozent aller Männer in Hamburg Erziehungsurlaub. Zwei Drittel aller Männer, das ergab eine Umfrage von 1993, finden Erziehungsurlaub nicht einmal gut. „Es fehlt an einem neuen Leitbild“, vermutet Birgit Geissler. Obwohl ebenfalls zwei Drittel aller Männer es schick finden, Babies zu füttern und zu windeln, wird in der Öffentlichkeit das Bild des Jungmannes immer noch mit Beruf, Studium, Sport und Karriere assoziiert.
Also der Tip für „Szene“-Annonceure, künftig zu schreiben, „ich mach auch Erziehungsurlaub“? Nein, so einfach ist es wohl auch wieder nicht. „Ich mußte meine Frau auf Knien darum bitten“, berichtete ein Vater aus dem Publikum, der zur Zeit mit fünf weiteren Erziehungsurlaubern in Altona eine Selbsthilfegruppe teilt. Ein anderer Vater konnte sich nicht durchsetzen und glaubt, „die Frauen fühlen sich bedroht, wenn wir ihnen diese Position streitig machen“. Und die Mitarbeiterin einer Beratungsstelle verstieg sich gar zu der Behauptung, die Frauen seien nicht solidarisch mit den Männern, weil sie sie nicht „ranlassen“ würden.
Das Zusammensein mit einem Neugeborenen sei für Frauen eine „existentiell andere Erfahrung“ als für Männer, setzte Birgit Geissler dem entgegen. Dies der Frau zu verwehren, sobald der Mann sagt, ich will, sei nicht fair. Und es sei ein Fehler zu glauben, der Bedarf an „neuen Vätern“ höre mit dem Kindergartenalter auf. Der Neuentdeckung der Babies sei leider keine der größeren Kinder gefolgt. Die Zeit, die berufstätige Väter mit diesen verbringen, so das traurige Ergebnis einer Studie aus den USA, läßt sich in Minuten messen. Geisslers Vorschlag: Analog zur berufstätigen Mutter müsse es das Leitbild des „berufstätigen Vaters“ geben, der es eben auch irgendwie meistern muß, die Kinder zu versorgen.
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