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Entenhausen liegt in Tempelhof

■ Mobiles Einsatzkommando faßte Kaufhauserpresser „Dagobert“ in Telefonzelle /Fahrrad wurde zum Verhängnis

Der Traum vom eigenen Geldspeicher endete in einer Telefonzelle. Gestern vormittag um 10 Uhr 18 nahm ein mobiles Einsatzkommando der Polizei den Kaufhauserpresser „Dagobert“ in Johannisthal im Bezirk Treptow fest. Die Beamten observierten ihn bereits, als er von einem Kartentelefon an der Hagedornstraße bei Karstadt in Hamburg anrief, um einen Termin für eine neuerliche Geldübergabe zu vereinbaren. Ein Mountain-Bike, das bereits bei früheren Übergabeterminen eine Rolle spielte, hatte die Sonderkommission schon am Dienstag auf „Dagoberts“ Spur gebracht. Bei dem Festgenommenen handelt es sich um den arbeitslosen Autolackierer Arno F. aus Tempelhof. Er habe sofort eingeräumt, „Dagobert“ zu sein, so die Hamburger Kripo. Als die Handschellen zuschnappten, soll „Dagobert“ gelächelt haben, berichteten Anwohner. Das entspricht dem Image des Erpressers, der die Polizei bereits bei rund zwanzig versuchten Geldübergaben foppte: Einmal verschwand er durch einen Gully unter der Streusandkiste, in der die Fahnder den Koffer deponiert hatten; ein anderes Mal sprang die eigens konstruierte Lore aus den Schienen, die Beamten stolperten zudem über die von „Dagobert“ ausgelegten Alarmdrähte. Erst vergangenen Mittwoch blieb der Geldbote im Stau stecken, als der Erpresser ihn zu einer Telefonzelle in Zehlendorf dirigieren wollte.

Im Januar vergangenen Jahres war es einem Polizisten sogar gelungen, „Dagobert“ an der Jacke zu packen - doch im letzten Moment rutschte er auf Hundekot aus. Nach unbestätigten Informationen aus Hamburger Polizeikreisen soll eben dieser Beamte „Dagobert“ jetzt festgenommen haben. Im Verlauf der Fahndung war es wiederholt zu Animositäten zwischen der ermittelnden Hamburger und der Berliner Polizei gekommen. Jetzt bekundete Hans- Jürgen Petersen, ein Sprecher der Hamburger Behörde, seine Genugtuung darüber, daß die flächendeckende Überwachung der Telefonzellen erfolgreich war.

Auf „Dagoberts“ Konto gehen seit Juni 1992 fünf Anschläge auf Karstadt-Häuser. Außer am Hermannplatz schlug er in Hamburg, Bremen und Bielefeld zu, zudem in Hannover, wo es zwei Leichtverletzte gab. Bei dem Festgenommenen soll es sich zugleich um den Erpresser handeln, der das KaDeWe bereits 1988 um eine halbe Million Mark erleichtert hatte. Der Berliner Rechtsanwalt Gerd Stübing, der über einen Mandanten Kontakt zu „Dagobert“ geknüpft haben will, verbreitete gestern die Version, es habe eine „wilde Verfolgungsjagd“ gegeben. Daß der Festgenommene erklärte, den Anwalt nicht zu kennen, verunsichert Stübing nicht - entweder es handele sich gar nicht um „Dagobert“ oder er verschweige seine Kontakte zu ihm, weil sie einem Geständnis gleichkämen. Für Pressesprecher Petersen sind die Auslassungen des Advokaten indes „dummes Zeug“. Ralph Bollmann /Kai von Appen

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