■ Das Portrait: Erich Priebke
Simon Wiesenthal, der Vorausschauende, hat die Sache auf den richtigen Punkt gebracht: „Ausgeliefert werden sollte der nach Deutschland, nicht nach Italien.“ Der – das ist der derzeit nach dem neuen Ministerpräsidenten Berlusconi meistausgestrahlte Mann der italienischen Medien: der ehemalige SS-Hauptmann Erich Priebke, 72, Stellvertreter des als Kriegsverbrecher in Italien zu dreißig Jahren verurteilten (später geflüchteten) Herbert Kappler. Ihn hat aufgrund von Angaben Wiesenthals ein US-Fernsehteam in Argentinien aufgespürt, wo er unbehelligt unter seinem richtigen Namen und mit deutschem Paß lebt.
Kappler zeichnete verantwortlich für die Erschießung von 355 Geiseln in den ardeatinischen Gräben bei Rom, doch verurteilt wurde er nur wegen fünf Morden. Die Internationale Kriegskonvention läßt maximal zehn Zivilisten pro einem von Partisanen getöteten Soldaten zu, die fünf waren „überzählig“. Priebke war mit von der Partie, hat selbst geschossen. Nun hoffen viele Italiener, ihm eine Strafe wie Kappler verpassen zu können. Doch Wiesenthal weiß: „Wenn das die einzige Anklage ist, wird er davonkommen.“ Dahinter steht auch die Angst, im Zeichen der Rechtswende in Italien werde sich die Justiz nicht gerade vor Verfolgungseifer zerreißen. Die Deutschen winden sich. „Man prüfe“, so die Auskunft der Botschaft in Argentinien zur taz, „ob es gegen Priebke noch nicht verjährte Anklagepunkte“ gebe.
Rom will seine Auslieferung von Argentinien Foto: Reuter
Inzwischen suchen die Italiener – bei denen nur Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren – in alten Archiven, ob man Priebke etwa eine Jagd auf Juden oder Sinti nachweisen könne. Priebke selbst zeigt sich im argentinischen Fernsehen, bekennt sich reumütig der Tötungen schuldig. Das sei eben Krieg. Die Verantwortung an den überzähligen fünf Hingerichteten der Fosse Ardeatine schiebt er „den italienischen Behörden“ zu. Auch informiert er ohne Umschweife über seinen wichtigsten Fluchthelfer aus einem Internierungslager bei Rimini – der Vatikan, die Witwe Kapplers behauptet, ihr Mann persönlich habe ihm zur Flucht verholfen.
In San Carlos de Bariloche hatte Priebke sich in einer „Kolonie“ ehemaliger Nazis etabliert, darunter auch der ehemalige belgische Informationsminister Antoine Maes und der Gestapo-Mann Juan Mahler (der eigentlich Reinhard Kops hieß), der eine Art „Expatriierungsexperte“ für Nazis war. Werner Raith
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