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Prospekt günstig zu verkaufen

■ Bremen preist sich mit einem „LebensART“-Führer an: dünn und teuer

Warum rennen denn die TouristInnen immer nur durch den Schnoor und die Böttcherstraße? Warum lassen sie das Museum Weserburg, immerhin Deutschlands größtes zeitgenössisches Museum, links liegen, von den vielen kleinen Galerien ganz zu schweigen?Um den saumseligen TouristInnen auf die Sprünge zu verhelfen, wenigstens den kunstinteressierten unter ihnen, gibt es jetzt einen neuen Führer mit dem Titel „LebensART – Streifzüge, Tips und Extra-Touren zu Kunst und Kultur“. Irgendwas zwischen Prospekt und Buch ist es geworden, 65 Seiten dünn, erhältlich für 9,90 Mark im Buchhandel.

Stolz sind die MacherInnen, so stolz, daß sie sich gleich zu zehnt der spärlich erschienenen Presse stellten: Die Initiatorin Hanne Zech vom Museum Weserburg, ein Vertreter des Humburg-Verlages, mehrere Angestellte der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, eine Dame vom Verkehrsverein, nicht zu vergessen der Texter ... Stolz sind sie auf ihr „neuartiges“ Konzept: „Der kulturinteressierte Mensch geht auch ins Restaurant ...“, wie Hanne Zech es ausdrückte.

Deshalb führen die fünf Streifzüge nicht nur duch Museen und Galerien, sondern auch in Parks und Cafes und ganz besondere Buchhandlungen. Erwähnt werden aber auch die Kolonialwarenhandlung im Ostertorsteinweg 6, „das Schiff“ und die riesigen Boule-Kugeln vor der Landeszentralbank in der Contrescarpe.

So kostenlos und erfreulich diese Bremer Nettigkeiten, die Tips für Unterkunft und Speis und Trank im Anhang zielen überdeutlich auf die Kulturinteressierten mit Geld. Ganz am Ende der Liste der Hotels mit über 100 Betten wird der Campingplatz erwähnt. Wenigstens, und das macht den Führer wieder etwas sympathisch, gibt es keine Anzeigen. Und die erwähnten Lokalitäten haben nichts gezahlt für die Erwähnung. Das Kulturzentrum Schlachthof hätte sich das ja auch kaum leisten können, sagt die Vertreterin der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WfG), Jutta Feldner. Was die WFG mit einem Kulturführer zu tun hat? Na, sagt sie, die in der Broschur zitierte Lebensart ist schließlich ein „weicher Standortfaktor“, den muß man auch herzeigen.

Mit Kürzest-Texten, vielen (68) Fotos und knalligen Ankündigungen der Streifzüge liegt der Führer zwar im Trend der Zeit, schießt aber gelegentlich übers Ziel hinaus: an TouristInnenverarschung beispielsweise grenzt die Ankündigung eines „Apachentanzes im Varieté“, der sich Seiten später als Bildmotiv von Max Beckmann (Kunsthalle) entpuppt.

Andererseits sind die Titel der Streifzüge recht einfallslos geraten: Wie bitte soll ich mich entscheiden zwischen „Alten Meistern und modernen Skulpturen“, „Von alten und neuen Zeiten“ und „Von der Ferne in die Nähe“?

Es bleibt der Eindruck, daß dies eher ein Prospekt denn ein Buch ist, also einfach eine Sammlung von Werbetexten, die, wie Werbung eben so ist, mehr versprechen, als sie halten können. cis

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