: Einsamer Rufer gegen Rinderwahnsinn
■ Seehofer will weiter Importstopp / Kaum Rückhalt bei Bonner Regierung
Brüssel (taz) – Der Bundeslandwirtschaftsminister sagt hüh, der Bundesgesundheitsminister hott. Beim Ministerrat der EU-Gesundheitsminister in Luxemburg widerholte Seehofer seine Drohung, Deutschland werde notfalls im Alleingang ein Importverbot gegen britisches Rindfleisch verhängen, wenn sich der Veterinärausschuß der Europäischen Union nicht in der nächsten Woche zu gemeinsamen Importbeschränkungen durchringe.
Drei Tage vorher hatte Agrarchef Borchert in Brüssel hingegen verkündet, die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Rinderwahnsinns (BSE) reichten aus. Einen deutschen Alleingang werde es vorerst nicht geben: „Wir werden den Erfolg der Maßnahmen abwarten.“
Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zielen vorwiegend darauf, das Verfüttern von verseuchtem Tiermehl zu verhindern, das als Ursache der in Großbritannien grassierenden Rinderkrankheit angenommen wird. Nach wie vor erkranken auf der Insel wöchentlich etwa 650 Rinder am Rinderwahnsinn. Von neuen Importbeschränkungen, wie sie Seehofer jetzt wieder verlangt, ist in den Kommissionsvorschlägen nicht die Rede.
Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Seehofer ist nicht auszuschließen, daß die BSE- Infektion auch auf den Menschen übertragen werden kann. Die britische Gesundheitsministerin bestreitet das. Die Gesundheitsminister der übrigen Länder sowie die Europäische Kommission versichern, daß sie Seehofers Sorge verstünden, noch mehr Angst aber haben sie offensichtlich vor Maßnahmen, die den EU-Regeln des freien Binnenmarktes widersprechen. Dennoch sieht der deutsche Gesundheitsminister eine „beachtliche positive Entwicklung“.
Mit einer Importbeschränkung würde ein Präzedenzfall geschaffen, dessen unmittelbare Folgen für das Funktionieren des Binnenmarktes schwer abzuschätzen sind. Die Risiken für den Verbraucher sind dagegen aufgrund der langen Latenzzeit sowohl bei BSE als auch bei der Creutzfeld-Jakob- Krankheit frühesten in einigen Jahren zu erwarten. Das Creutzfeld-Jakob-Syndrom ist eine beim Menschen autretende, dem BSE vergleichbare Krankheit. Außerdem, so versichern die Gesundheitsminister immer wieder, sei wissenschaftlich überhaupt noch nichts bewiesen.
Ein deutscher Importstopp für britisches Rindfleisch kann nicht vom Gesundheitsminister, sondern nur vom Bundeskabinett beschlossen werden. Die abwartenden Worte des Bundeslandwirtschaftsministers lassen vermuten, daß auch die Bundesregierung die Sorge um den Binnenmarkt sehr ernst nimmt und Seehofer mit seinem Part als einsamer Rufer in der Wüste zunehmend vereinsamen wird. Alois Berger
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