: Hellhäutige Adoptivbabys sind sehr begehrt
■ Terre des hommes beendet Vermittlung von Kindern aus der Dritten Welt
Berlin (taz) – Babys mit pechschwarzen Kulleraugen, Kleinkinder mit niedlichem Kruschelhaar, Säuglinge mit hilfesuchendem Blick und spindeldürren Ärmchen – Kinder aus den Armutsgebieten der sogenannten Dritten Welt rühren an und brauchen Hilfe. Gleichzeitig sind sie ein begehrtes Handelsobjekt – „menschliche Software“ für kinderlose Ehepaare aus den reichen Industrienationen und Familien, deren Adaptionswunsch in ihren Heimatländern an den strengen behördlichen Auflagen scheitert. Etwa 800 Kinder, so schätzen Experten, werden jedes Jahr aus fernen Ländern nach Deutschland „hineinadoptiert“. Das Kinderhilfswerk Terre des hommes, selbst jahrelang Vermittler bei Auslandsadoptionen, hat dieser Praxis jetzt eine endgültige Absage erteilt. Die Hilfsorganisation wird in Zukunft keine Adoptivkinder aus der Dritten Welt mehr vermitteln. Hintergrund dieses Beschlusses, der auch Signalcharakter haben soll, sind die Erfahrungen der vergangenen Jahre und jüngste politische Weichenstellungen.
Schon 1987 hatte Terre des hommes nach heftigen internen Diskussionen die Vermittlung von gesunden Kleinkindern und Säuglingen aus dem Ausland eingestellt und nur noch vereinzelt ältere und behinderte Kinder zur Adoption vermittelt, für die es – trotz aller finanziellen Unterstützung – keine Alternative im Heimatland gab. Gerade für diesen Kreis sind jedoch in den letzten Jahren kaum noch aufnahmebereite Familien in Deutschland zu finden. Gleichzeitig gibt es einen Run auf möglichst problemlose und hellhäutige Babys. „Die Nachfrage steht in keinem Verhältnis mehr zu wirklich verantwortbaren Vermittlungen“, meint Peter Eisenblätter, Leiter des Adoptionsreferates bei Terre des hommes, „da ist ein Markt entstanden mit allen Formen des Kinderhandels.“
Immer häufiger beobachten Experten, daß Ehepaare auf eigene Faust in ferne Länder ziehen und in Säuglingsheimen oder Familien nach Neugeborenen Ausschau halten. Heimleitungen, Rechtsanwälte und private Vermittler unterstützen oft gegen ein stattliches Entgelt diese Suche. Zu Hause in Deutschland stellen die frischgebackenen Adoptiveltern die Behörden dann vor vollendete Tatsachen. Rund 80 Prozent aller Adoptionen in Deutschland, so schätzt Eisenblätter, laufen derzeit auf diesem privaten Weg unter Umgehung der offiziellen Adoptionsvermittlungen. „Da wird gar nicht erst geprüft, ob ein Kind bei seiner leiblichen Mutter bleiben könnte, wenn man diese unterstützen würde, oder ob es vielleicht Pflegefamilien gäbe im eigenen Land.“ Vera Gaserow
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