: Schweren Herzens in die Föderation
■ Seit Donnerstag hat die bosniakisch-kroatische Föderation eine Regierung / Die alten Machtstrukturen bleiben erhalten
Sarajevo (taz) – Die starke Repräsentation der Westherzegowiner Kroaten löste bei vielen Bewohnern der bosnischen Hauptstadt Bestürzung aus, als am Donnerstag abend die eben gebildete Regierung der bosniakisch-kroatischen Föderation vorgestellt wurde. Repräsentanten der loyalen zentralbosnischen Kroaten nannten die Ernennung der 13 Minister und Vizeminister aus dem Lager der „Westherzegowina-Extremisten“ schonend „einen Kompromiß, der schwergefallen ist“. Deutlicher wurde der Juraprofessor Gavran Kapitanović: „Es wurde ein Kompromiß mit denjenigen geschlossen, die über reale Macht verfügen.“ Zwar hätte die Westherzegowina nur 170.000 Bewohner, wogegen es in Zentralbosnien 600.000 Kroaten gebe. Trotzdem: „Kompromißbereitschaft ist die einzige Garantie dafür, daß die Föderation umgesetzt wird.“
„Das Washingtoner Abkommen und die Gespräche in Wien führten zwangsläufig in die Richtung der gemeinsamen Regierungsbildung“, bekräftigt Kemal Muftić, der Kabinettschef Präsident Alija Izetbegovićs. „Und die führt in Richtung der Wiederherstellung des geeinten Bosnien- Herzegowinas.“ In der Tat wurde mit der Ernennung des westherzegowinischen Ministerpräsidenten Jadranko Prlićs zum Vizepremier und Verteidigungsminister ein Mann in die Regierung geholt, der vor Jahresfrist einen großen Anteil an der Entscheidung zum Beginn des „Krieges im Kriege“ hatte. Indem aber Izetbegović bosnischer Präsident bleibt, wird der Anspruch auf die Unverletzlichkeit der Grenzen der exjugoslawischen Republik festgehalten.
Problematisch bleibt, daß neben die alten Strukturen Bosniens nun die der neuen Föderation getreten sind. Deren Präsident Krešimir Žubak war bisher Chef des nicht anerkannten Staates „Herceg- Bosna“, der nun nominell in der Föderation aufgehen soll. Zu Žubaks Stellvertreter wurde der Bosnier Ejub Ganić ernannt. Die neue Regierung faßt also beide Stränge der Machtverteilung zusammen, und Haris Silajdžić ist Premierminister einer Regierung, die sowohl für Gesamtbosnien wie auch für die kroatisch-bosniakische Föderation fungieren soll. Verkompliziert wird der Staatsaufbau auch durch das Eigenleben wichtiger Institutionen, wie z.B. der Armeen. Eine Verschmelzung des westherzegowinischen „Kroatischen Verteidigungsrates“ HVO mit den bosnischen Streitkräften wird es nicht geben, das gemeinsame Oberkommando bleibt offenbar eine reine Koordinierungsstelle. Prlićs Stellung als neuer Verteidigungsminister der Föderation wurde bisher nicht definiert.
Letztendlich hat also im Rahmen der Föderation keine Seite auf ihre eigentliche Machtbasis verzichtet. Darum geht es aber auch gar nicht. „Kein wichtiger Politiker in Sarajevo gibt mit der Bildung der Föderation den Anspruch auf die Unverletzlichkeit der äußeren Grenzen Bosniens auf“, meint Mustafa Cerić, „auch wenn dies mit der Forderung nach 58 Prozent der Landfläche so erscheinen mag.“ Für das religiöse Oberhaupt der bosnischen Muslime ist das Zusammengehen mit den Kroaten vor allem ein Schritt auf dem Wege hin zur Wiederherstellung des Gesamtstaates. Denn nur gemeinsam könne es gelingen, die Verbindung zwischen Serbien und den serbisch besetzten Gebieten Bosniens zu unterbrechen. In diesem Fall aber bliebe der bosnisch-serbischen Seite nichts anders übrig, als der kroatisch-bosniakischen Föderation beizutreten – mit der Konsequenz, daß die Vertriebenen wieder in ihre Heimat zurückkehren könnten. Daß dies möglicherweise ein Wiederaufleben des Krieges mit sich bringen könnte, will Ivo Komšić, bisher Mitglied der bosnischen Delegation bei den Genfer Verhandlungen, gar nicht ausschließen. „Das von Großbritannien, Frankreich, Rußland und sogar, wie es scheint, von Deutschland favorisierte Modell bleibt für uns unbefriedigend, weil es den Aufbau Großserbiens begünstigt, die Kriegsverbrecher freispricht und den Raub an Grund und Boden sanktioniert.“ Erich Rathfelder
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