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„Die gute Form“ als Hausaufgabe

■ Design in Bremen (1): Ein Rück- und Ausblick von Jochen Rahe, Ex-Geschäftsführer des Designzentrums, auf die Stärken und Schwächen des mühsam angekurbelten Designgeschäfts

Design in Bremen? Nicht nur Auswärtige müssen bei diesem Thema schon ziemlich lange grübeln, bevor ihnen etwas konkretes einfällt. Das soll anders werden: Seit vier Jahren müht sich die Wirtschaftsförderung der Stadt, und mit gar nicht wenig Geld, mehr Gestalterinnen und Gestalter nach Bremen zu lotsen und die heimischen Kompetenzen zu stärken. Wo diese eigentlich liegen, wird in den üblichen Diskussionen zum Thema allerdings meist nicht besonders deutlich. Der geflügelte Spruch „Mehr Schein als Design“ - auf die unsichtbare Bremer Szene scheint er gut zu passen. Was es tatsächlich an Ideen und praktischen Beispielen guter Formgebung in Bremen gibt - das will die taz in einer Serie in den nächsten Wochen mal genauer besehen. Am Anfang steht ein Rückblick von Jochen Rahe auf die Ergebisse der bisherigen Designförderung. Rahe war Mitinitiator des Bremer Designzentrums und bis Mai dessen Geschäftsführer.

taz: Die wissen hier gar nicht, was Design ist – mit diesem Spruch hat sich der Bremer Designer Hans Kehlbeck bei einer Diskussion 1990 verewigt und meinte, hier sei noch viel Missionarsarbeit zu leisten. Haben Sie ihre Mission jetzt erfüllt?

Jochen Rahe: Wenn mit öffentlichen Mitteln und staatlicher Einmischung Designförderung aufgebaut wird, muß das Fernziel ja sein, sich durch Erfolg selbst wieder abzuschaffen. Ich denke, daß in der breiten Öffentlichkeit doch sehr viel zu diesem Thema vermittelt worden ist, durch Ausstellungen, Publikationen, Presseveröffentlichungen. Die Medien hier haben das Thema sogar überproportional behandelt im Vergleich zu anderen Bundesländern. Wenn sowas in Bremen gemacht wird, wird es auch genutzt und findet die entsprechende Neugier; das mag auch an der Größenordnung der Stadt liegen.

Oder am Nachholbedarf.

Ganz sicher, wir haben ja praktisch bei Null angefangen und haben Institutionen aufgebaut. Alles in bescheidenem Rahmen aber doch so ausgestattet, daß wir arbeitsfähig waren.

Es gab dazu eine ganze Reihe von Diskussionen über Design; dennoch scheint das Niveau der Beiträge immer noch ziemlich dilettantisch zu sein. Alle betrifft das Thema zwar irgendwie, aber die Bremer Kaufleute wissen vor allem zu sagen, daß gutes Design gut fürs Geschäft ist.

Etwas platt gesagt, trifft das ja auch zu. Von der Wirtschaft wird das Thema eben dann aufgegriffen, wenn man sich daraus einen Vorteil im Wettbewerb verspricht. Das finde ich auch legitim. Design ist ja nicht mit dem moralischen Postulat ausgestattet, daß man das zur Beglückung der Menschheit machen müßte; es ist einfach auch eine Sache von Angebot und Nachfrage auf dem Markt. Diese Nachfrage muß natürlich qualifiziert werden. Das ist nur möglich durch ein breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit. Sowas kann die Designförderung im Grunde auch gar nicht leisten. Es müßte, wie das zum Beispiel in einigen skandinavischen Ländern gelaufen ist, eine große Bildungsoffensive geben. Das könnte auch eine Sache der Verbraucherverbände sein.

Wie muß ich mir das denn konkret vorstellen: Design-Bildung?

Zum Beispiel an den Schulen. In Skandinavien sind Themen wie Gestaltung von Wohnen, Gestaltung von Produkten und Geräten durchaus Unterrichtsinhalte. Ganz früh wird hier, wie in anderen ästhetischen Bereichen auch, informiert und eingeübt, mit solchen Dingen umzugehen. Sowas führt allmählich zu einer qualifizierten Nachfrage.

Dazu muß natürlich noch die qualifizierte Produktion kommen.

Das ist ja unser eigentliches Ziel. Die Bremer Designförderung ist angetreten, um bei den Unternehmen erstmal über das Potential der Dienstleistung „Design“ zu informieren. Dann haben wir auch mit einem Förderprogramm eine verstärkte Zusammenarbeit mit Designern angeboten, was auch mit öffentlichen Mitteln gestützt wurde. Diese Stützung ist gemessen an dem, was da investiert wird, relativ bescheiden, aber sie doch in etwa 25 Fällen dazu geführt, daß solche Projekte durchgeführt wurden.

Gab es da ein besonders gelungenes Projekt?

Wir haben zum Beispiel ein neues Produkt gefördert, das zunächst mal eine reine Ingenieurleistung war. Da ging es um eine Wasserstrahl-Schneidemaschine. Das ist eine Technologie, die es schon lange gibt; aber das Gerät wurde durch eine neue Entwicklung wesentlich verkleinert und damit in vielen Anwendungsbereichen handhabbar gemacht. Gerade das brauchte auch eine designerische Überarbeitung; das ging bis zu Geräten, die man auf dem Rücken tragen kann und die zum Beispiel im Katastrofeneinsatz verwendet werden. Aus der Zusammenarbeit von Ingenieur und Designer hat man hier also ein attraktives, neues Produkt geschaffen.

Ein neues Design sollte aber auch das Image der Bremer Firmen bekommen.

Das ist richtig; wir haben immer dafür plädiert, daß nicht irgendein Produkt mit einem Designer überarbeitet wird, sondern das Thema Design zu einer grundsätzlichen Firmenstrategie wird. Dazu gehört nicht nur das Produktdesign, sondern auch das Auftreten einer Firma am Markt , das hat ja auch eine visuelle Seite, vom Briefkopf bis zur Architektur des Hauses – all das, was man so „corporate identity“ nennt ein deutscher Name hat sich nicht so richtig dafür entwickelt, man könnte sagen Unternehmenskultur. Im Grunde müßte man auch die Konzeption von Serviceleistungen, selbst die Kundenberatung, dort mit einbeziehen. Man könnte da aus der Sicht des Designers ein sehr großes, ganzheitliches Paket schnüren.

Paßt denn zu jeder mittelständischen Bremer Teeimportfirma so eine streng durchgestylte corporate identity samt 3-D-Logo?

Gut, das Thema Design hat sich ja in vielen Bereichen auch überschlagen. Es wird sehr viel Schaum geschlagen mit dem Thema, ohne daß da allzuviel dahintersteht. Ich denke, daß Design sowohl als Verkaufsstrategieals auch in der Qualifizierung von Produkten eigentlich nur eine langfristige Firmenstrategie sein kann. Nur, wenn das von größter Seriosität ist, wird sich das durchsetzen. Alles andere sind Eintagsfliegen.

Wo liegen überhaupt die Stärken der Bremer, wenn es um Design geht?

Im Bereich Fahrzeugbau, Motorenbau, auch beim Verpackungsdesign im Genuß- und Nahrungsmittelbereich gibt es Schwerpunkte. Ebenso Schiffbau, da ist ist die Lürssenwerft eine von zehn auf der ganzen Welt, die sowas macht. Sowas wird als Design im Alltagsleben natürlich oft gar nicht sichtbar. Dann natürlich die Silberwarenverarbeitung. Und es gibt im Bereich Grafik-Design eine ganze Reihe von qwualifizierten Büros in Bremen.

Was bleibt denn dem Designzentrum unter neuer Leitung als nächstes zu tun, gerade, wenn man an das mangelhafte Engagement aus der Wirtschaft selbst denkt?

Damit haben Sie eigentlich schon gesagt, was noch zu tun ist. Nach dieser Aufbauzeit, die dem Aufbau verschiedener Institutionen und der Durchsetzung des Designgedankens gewidmet war, kommen wir erst jetzt richtig in die heiße Phase. Nämlich, die einzelnen Unternehmen zu überzeugen, in diesem Bereich mehr zu tun und zu investieren. Das wird nur gehen in Zusammenarbeit mit der Handelskammer, durch viele Einzelgespräche. Mein Nachfolger Dr. Berthold kommt ja aus der Wirtschaft und bringt viele entsprechende Kontakte mit.

Was stimmt Sie denn so optimistisch, daß die Bremer in Zukunft investierfreudiger sein könnten?

Hier in Bremen – und das ist durchaus anders als in anderen Bundesländern – ziehen bei der Designförderung alle an einem Strang. Aber man darf nicht kurzfristige, schnelle Umsatzerfolge erwarten. Auch, wenn wir sagen: Designförderung ist Wirtschaftsförderung. So eine Entwicklung kann man durch Initiativen wie das Designzentrum, durch Gespräche und Beratungen zwar anregen. Aber letztlich muß sowas aus dem Willen der einzelnen Unternehmen kommen. Fragen: tom

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