Der kann gar nicht zaubern!

■ Verblüffend täuschend verspielt: Wittus Witt im Packhaus

Also wenn ich Claudia Schiffer wäre – glatt würde ich diesen gigantischen Zauberzwerg David Copperfield irgendwo bei Las Vegas in die Wüste schicken, um mir dann den Taschenspieler Wittus Witt zu krallen, der da noch bis einschließlich Sonntag im Bremer Packhaus-Theater gaukelt.

Wo der Stars & Stripes-Großillusionist Heerscharen von Komparsen dirigiert und ganze Truck-Karawanen mit HighTech-Simsalabim durch die Lande rollen lässt, rückt der Herr Witt ganz ohne stechende Augen und nur mit einem abgeschabten Köfferchen an. Schaut mit seinem eleganten Graukopf aus dem Bühnenfrack drein wie eine Mischung aus Bodo Kirchhoff und Elmar Gunsch. Versichert immer wieder, daß gar nicht er zaubern kann, sondern lediglich die Phantasie des Publikums – und währenddessen geschehen schon wieder alle kleinen Wunder dieser Welt vor sprachlosen Mündern und ungläubigen Augen.

Eingehend prüfen die SkeptikerInnen die leere Packpapiertüte und schwuppidiwupp fallen wie aus Nowhere-Land die Apfelsinen hinein, platsch, platsch. Ein nächster Griff, schon holt der Witt ein Glas Orangensaft aus der Tüte, vielleicht drei Armeslängen von uns entfernt im hellen Bühnenlicht: Da können die Angefahrenen Schulkinder aber mal tüchtig über Onkel Dittmeyer lachen!

Derweil hängen massive Metallringe wie von Geisterhand geführt in- und umeinander, aus dem Publikum gedanklich fixierte imaginäre Spielkarten schieben sich wie von selbst aus einem echten Kartenset hervor und Stricke werden lang und länger, so oft sie auch vom spontanen Helferlein aus dem Publikum mit roher Scherengewalt gekappt werden. Wenn dann auch noch der Kritikus der anderen ortsansässigen Heimatzeitung um sein Jackett beschwatzt wird (Hugo Boß, selbstredend!), und der Entertainer darin genmüßlich seine Zigarette ausdrückt, und das gute Stück anschließend noch mit dem Messer durchbohrt, kennt schlichte Schadenfreude kaum noch Grenzen. Doch, Hokuspokus, ohne Zauberkasten oder verhüllenden Vorhang, da ist das gute Stück schon wieder schön und ganz und ganz so lässig-ungebügelt wie zuvor.

In heiratsschwindlerischer Gewandtheit plaudert Wittus Witt dazu über Aristoteles und Hexenverbrennung, Psychologie und Geschichte der Zauberei. Denunziert so nebenbei auch noch all den Quark, der da von Wunderheilern, Magiern und ihren Medien auf der esoterischen Obskurantenwelle der PSI-Phänomene zur Bedeutungsschwere breitgetreten wird und zeigt sich damit als virtuoser Unterhaltungskünstler der materialistischen Aufklärung.

Wenn er dann zum guten Schluß wie ein hektischer Schulbub in eine EDV-Papierrolle hineinschnippelt und daraus in furiosen Sekunden ein Transparent entstehen lässt, das uns mit dem herausgeschnittenen Spruch „Ein zauberhafter Abend im Packhaus“ aus dem kleinen Schnoortheater entläßt, hat man gute zwei Stunden besten Entertainments genossen: Tauben und Kaninchen, weiße Tiger und schwebende Jungfrauen werden dabei durchaus nicht vermißt.

Ulrich Reineking-Drügemöller

„Schöner Schein“ auch heute, 20 Uhr, im Packhaus im Schnoor