: Cornys Tanten
■ „Ladyboys“: Volkstheater von hinten im Schmidts Tivoli
„Hackroppolliiis haddjiööö“ – und noch –ne Mireille, noch eine und noch eine. Die Ladyboys - hier als „Spatzen von Paris“ in schwarzen Sack-Kleidchen und dann wieder in Glitzerfummelfederpracht - opfern sich für bescheidenen Ruhm allabendlich auf der Bühne ihres kleinen Kabaretts: Claudio Maniscalco als singender Coverboy Peppino, Burkhard Heim als mütterlich-väterlicheR PaulA Pepper und die drei Tänzer Joachim Benoit, Thorsten Pfeiffer und Rainer Mildner, die auch mal als prachtvolle Girls aushelfen müssen.
Hinter der Tingeltangelbühne auf der Tivoli Bühne lernt Daniel (Christian Schodos) Peppino lieben, der nebenbei noch die Zuwendung seiner Mamma ertragen muß, die Susanne E. Walbaum zackig, streng und mit überzeugender Stimme verkörpert. Zur Premiere des musikalischen Rührstücks und der neuen Regie-Arbeit Corny Littmanns hatten sich auch im Publikum einige feierlich zurechtgemacht, zum „Warmtee“ – wie in Hamburg einst das Treiben der Varieté-Buden in Ermangelung französischer Sprachkenntnisse hieß – mit Anspruch im Schmidts Tivoli. Die Freuden aufgetakelter Selbstdarstellung, die Höhen und Tiefen schwuler Liebe, die nach zwei Jahren und dem Verbrauch von 91 Stoffhasen im Ehealltag zu ersticken droht, die Mammas, die ihre Kinder für die glücklichsten der Welt halten, und die Tunten, die böse Witze über bösartige Tunten reißen – alles gibt's in Ladyboys. Und natürlich tummelt sich allerlei schwuler Humor in Kleinigkeiten, wie der „neuesten Gleitcreme von Du-Darfst“, den „Hüften-Gold-Pralinen“ oder dem bitteren Vorwurf: „Du bist schon hysterischer als Inge Meysel!“
Susanne E. Walbaum, bekannt aus Cabaret, verfügt über die vollste Stimme im Ensemble, das Thema Mutter ist bei den Ladyboys ohnehin der Running-Gag. Einen flotten Tango des Mütter-Chores begleitet der Baby-Background aus den Kinderwagen mit eingängigem „Bäh, bäh!“. Peppinos Mamma zieht bei Besuchen als erstes stets Spülhandschuhe an, zückt den Handstaubsauger und will gar nicht wahrhaben, daß ihr Sohn ein „Schwanzlutscher“ ist, wie er ihr schließlich echt emanzipiert ins Gesicht schleudert, als sie nach Daniels Tod von Sauberkeit und Schwiegertochter schwadroniert. Die Allgegenwärtigkeit von Aids wird in einem Nebensatz gestreift und das Thema „Gewalt gegen Schwule“ mit zwei kleinen Hörspielen hinter der Bühne, denn häßliche Glatzköpfe hätten nur die hübsche Tuntenoptik versaut.
Ein Klischee jagt das andere, bis zum Beerdigungs-Schlager „Alles hat seinen Sinn, stark sein und schwach sein, leiden und lachen...“, der manche zu echten Tränen hinriß. Überhaupt haftete dem Ganzen ein Hauch vom Brecht'schen Bilbao-Song an: „Ich weiß ja nicht, ob Ihnen sowas grad gefällt, doooch: Es war das Schönste, es war das Schönste auf der Welt!“
Julia Kossmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen