: Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill
Und es gibt ihn doch, den bösesten aller Bösewichte, die schwimmende Rasierklinge, den Schrecken aller Küstenkinder, der alten Männer und des Meeres: Der weiße Hai ist wieder aufgetaucht, diesmal am Gestade Südafrikas – genauer gesagt: vor East London. Es war der erste Besuch im multidemokratischen Azania, der richtig Schlagzeilen machte – sieht man einmal von der 37-Stunden-Visite der Legion d'Étranger unter der Leitung von Franz Mitterrand ab.
Der Fischteufel war noch schneller als der Franzose. Er stach gleich mitten ins Paradies der Wellenreiter hinein. Andrew Carter – wie alle Surfer blond, blauäugig und a bissl blöd (unseren Spezi Dr. Frankie aus HH-Eppendorf natürlich ausgenommen!) – wedelte gerade turbolässig auf dem Gischtkamm, und wieder guckte keine Strandschnitte. Nur einer sah zu: Nepomuk, das schwimmende Untier. Kein übles Abendmahl, muß er sich wohl gedacht haben. Denn im nächsten Moment schaltete er auf Angriffsgeschwindigkeit (für Kenner römischer Galeeren: Schlagzahl 72) und angelte sich den Knaben. Er haute seine Zahnreihen in das Bodybuilding. Carter überlebte und konnte daher aus erster Hand berichten: „Er hatte mich an der Hüfte und am Schenkel. Es war der größte Shark, den ich je gesehen habe.“
Irgendwie muß dem Blutgierigen das Designergerät zwischen die Zähne gekommen sein. „But then it had my board in its mouth and let go.“ Erstens kamen zufällig zwei mächtige Wellen vorbei, zweitens war Carter anno 90 südafrikanischer Meister im Gleitbrettlwassern: Er zischte der Bestie auf und davon. Macht nix, sagte sich Nepomuk und drehte sein letales Dreieck auf den Co- Surfer Bruce White. Ein tödliche Begegnung – für die Landratte. Ausschlaggebend war wohl, daß der arme White niemals die Meisterschaft ersurft hat; er ward zerfieselt in Sekundenschnelle.
Der gute Mensch und das böse Tier. Eine leidenschaftliche Debatte flammte auf, weil am selbigen Sonntag der arglose Passant Musi Masina in Germiston von hinterfotzigen Pit Bulls totgebissen wurde. In fernen St. Pauli ist man immerhin schon auf die Idee gekommen, statt der Vierbeiner ihre Halter, die Zuhälter, einzuschläfern. Die Südafrikaner aber lassen auf ihre kleinen Fleischwölfe und deren Liebhaber nichts kommen – one man, one arm, eine Waffe braucht der Mensch.
Also richtete sich der Volkszorn auf Nepomuk, den Killer. Das Problem ist nur: Der weiße Hai ist der letzte Weiße, der in Südafrika unter dem Schutz des Gesetzes steht (ein weltweit einzigartiger Paragraph, welchen wir der Apartheid verdanken). Und wenn der maritime Terrorist nun ein Neonazi vom AWB wäre? Dann fiele er unter den Indemnity Act und würde amnestiert werden. Aber Nepomuk ist längst ums Kap davongeschwommen, Kurs Hollywood. Neue Filme, neuer Ruhm, altes Grauen. Mitten im Atlantik traf er zwei Kollegen, und man erzählte sich den Hai-Witz. Unterhalten sich drei Haie, wo und was sie am liebsten speisen. Côte d'Azur, nachwachsende Grace Kellys, sagt der erste. Accra, weichmuskelige Selbsterfahrungstrommler aus Marburg, schwärmt der zweite. Meint der dritte: Sylt, Journalisten. Warum, rufen die Freunde. Die sind leicht verdaulich: kein Rückgrat und 'ne Riesenleber.
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