: Bananen und Tee warten auf die Ernte
■ Ruanda-Flüchtlinge, die aus Zaire zurückkommen, geraten in ein entvölkertes Land
Mukamira (wps) – Die barfüßige alte Frau läuft an ihrem robusten Bambusstock so schnell, wie sie kann. Tief in ihrer ruandischen Heimat sucht Generose Nyirandoti, erst kürzlich nach Zaire geflohen, nun wieder Schutz vor der in ihrem Flüchtlingslager ausgebrochenen Cholera. Auf ihrem Kopf trägt sie eine graue Schlafmatte, im Kleid verbirgt sie eine schmutzige Plastiktüte mit ihren Papieren, an der Hand hält sie ihre vierjährige Enkelin – die letzte Überlebende der Familie. „Ihr Vater ist tot“, erklärt die alte Frau, während die Kleine ein Brötchen verschlingt. „Ihre Mutter ist tot. Ihre Brüder und Schwestern sind tot. Wenn wir dableiben, sterben wir auch.“ Kolonnen zurückkehrender Flüchtlinge sind die einzigen Lebenszeichen hier im Westen Ruandas, von einzelnen Militärlastwagen abgesehen. Die Dörfer ringsum liegen idyllisch auf Hügelterrassen mit Bambus und Eukalyptus. Tee- und Bananenplantagen warten nur auf Ernte. Aber kein Mensch ist zu sehen. Die früheren Bewohner wurden ermordet, als die Milizen der ehemaligen Regierung im April Hunderttausende von Menschen, insbesondere Angehörige der Tutsi-Minderheit, umbrachten. Die verbliebene Hutu-Bevölkerung floh dann mit diesen Milizen vor der vorrückenden Rebellenbewegung RPF nach Zaire. Dort wütet nun die Cholera – 14.000 Menschen sollen bislang daran gestorben sein. Die einstigen Milizionäre kontrollieren die Lager und haben den Flüchtlingen befohlen, dazubleiben. Aber immer mehr gehen trotzdem.
„In Zaire sagte man uns, sie (die siegreichen RPF-Kämpfer, d. Red.) würden die Leute umbringen“, sagt der 29jährige Rückkehrer Ferdinand Niyatusenga. „Aber das stimmt nicht.“ Sein Freund Jean Wemeyirongo stimmt zu: „Es ist besser, zurückzugehen.“ RPF- Soldaten hätten sie willkommen geheißen und ihnen zu essen gegeben. „Wenn ich unterwegs Leute treffe, frage ich sie, ob wir weitergehen können, und sie antworten, daß wir nichts zu befürchten haben“, meint Wemeyirongo.
Die 16jährige Brigitte Uwera ist allein auf dem Weg in ihre Heimatstadt Gitarama. Sie überquerte die Grenze bereits am Samstag; RPF- Soldaten gaben ihr Kartoffeln und zeigten ihr die Straße in ihre 120 Kilometer entfernte Heimatstadt. In Goma hatte man ihr erklärt, die Tutsis in der RPF würden alle zurückkehrenden Hutus umbringen. „Aber es waren Tutsis, die mir diese Kartoffeln gegeben haben“, erklärt sie jetzt. Was sie selbst ist? „Weiß ich nicht. Meine Mutter ist Tutsi, mein Vater ist Hutu.“
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