piwik no script img

■ Baut Lehmhütten! Spannt nasse Tücher!Vorsicht: Sommer!

Die Hitze und die Deutschen. Würden sie doch nur mit der Armbanduhr bekleidet durch die Wohnung tänzeln und sich des sonnigsten Julis seit anno dunnemals erfreuen. Würden sie sodann in lauen Nächten, im Garten sitzend, einen gut gekühlten Rosé zwitschern – es ginge uns allen ganz wunderbar. Aber nein, so einfach ist das nicht mit dem Sommer. Vor solch leichtfertigem Umgang mit dem schönen Wetter können wir nur eindringlich warnen. Warnen müssen wir außerdem vor dem Ozon, ganz klar, vor dem UV- Licht und vor dem Stau. Hüten Sie sich zudem vor falscher Bekleidung, vor dem Kreislaufkollaps, vor Kopfschmerzen, vor Rinderhack und verfallsdatumbedrohten Eiern. Gefährlich sind des weiteren Waldbrände, Sex, aufgeheizte Wohnungen, Dehydrierung, exzessiver Apfelweingenuß und zu langer Aufenthalt im Freien. Explodierende Mineralwasserflaschen sowieso. Aber der Reihe nach.

Der Wetterdienst versorgt uns neuerdings nicht nur mit Rekordmarken von „Ewald“, dem persistenten Backofen-Hoch. Heute zum Beispiel packen wir im Rheingraben locker die 36-Grad-Bestleistung. Nein, die Offenbacher Wettermacher liefern uns jetzt per Satellit auch noch das Tages-UV-Licht-Aufenthalts-Maximum (TULAM). Wir nehmen freudig zur Kenntnis, daß wir uns am Donnerstag in Hamburg 30 Minuten unbeschadet der Sonne nähern dürfen, während in Stuttgart das TULAM nur 25 Minuten beträgt. Wir warnen vor jeder eigenmächtigen Überschreitung.

Oben zu dünne, unten dicke Luft. Wir müssen mithin vor dem Sommersmog warnen. Die Ozonwerte gehören längst zum Wetterbericht wie die Arbeitslosen zur Wirtschaftslage. So wird der Sommer ein Fall fürs Umweltbundesamt. IA, Berlins dämlicher Provinz-TV-Sender, bringt täglich einen „Bio“-Wetterbericht: Kreislauf, Kopfschmerz, Pollenflug, Ozon und Temperaturen als kompakter Service. Da lacht der Hypochonder.

Die Hauszeitung warnt derweil vor Salmonellen, die sich dramatisch ausbreiten. Hühnereier, Rinderhack – lauter tickende Zeitbomben. Alle Speisen mindestens fünf Minuten durchkochen. Auch das Trinken wird immer schwieriger. In der Hitze kann jede Form von Alkohol gefährlich werden. Mineralwasser? Na ja. Aber bitte unbedingt im Schatten aufbewahren, sonst macht's ganz schnell peng! Und trinken Sie nicht einfach drauflos, erfüllen Sie Ihr 2,5-Liter- Flüssigkeitspensum.

Das allerschlimmste aber sind aufgeheizte Räume mit Südlage. Die Dehydrierung lauert in jeder Ecke. Hier hilft nur eines: Spannen Sie großflächig nasse Tücher auf, und stellen Sie den Wecker auf 5 Uhr früh. Stehen Sie auf und lüften Sie zwei Stunden, denn um diese Zeit ist es am kühlsten in Deutschland. Falls auch dies nichts nützt: Bauen Sie eine Lehmhütte! Und vögeln Sie um Gottes Willen nicht. Die Kondome, so hören wir, machen bei der Hitze schlapp...

Na dann, viel Spaß im Jahrhundert-Juli. Manfred Kriener

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen