: Wider den Fahrradpoller -betr.: "Poller schlicht oder schnuckelig", siehe taz vom 9.8.94
Betr.: „Poller schlicht oder schnuckelig“, siehe taz vom 9.8.
Seit Jahren betreibt unsere ontologische Praxis Aufklärung über scheinbare Selbstverständlichkeiten. Zur Zeit ist gerade der Straßenpoller, über den Sie berichten, Thema einer unserer Kampagnen. Es geht dabei um das unsachgemäße Anschließen von Fahrrädern. Wir haben diesbezüglich auch schon Kontakte zu der hiesigen Kriminalpolizei aufgenommen.
Denn: Die Existenz des Pollers verdanken wir der Schiffahrt. An ihm werden die Leinen des Schiffes festgemacht. In unserem Alltagsleben aber spielt der Poller nur noch als Straßenpoller eine wichtige Rolle. Er soll Autos die Einfahrt und das Parken verwehren.
Immer häufiger findet sich nun in letzter Zeit eine weitere Verwendung des Pollers: als Fahrradpoller. Dabei wird häufig übersehen, daß der einfache Poller mit der Aufgabe des Fahrradpollers überfordert ist, denn wie man einen Ring vom Finger ziehen kann, so läßt sich auch die Vereinigung zwischen Poller und dem daran abgeschlossenen Fahrrad durch einfaches Stemmen des Fahrrades lösen. Sein Rad an einem stummeligen Poller anzuschließen, nützt gar nichts. Jedenfalls sollte man hinterher jedenfalls nicht meckern, wenn das Rad weg ist. Ein Großteil der Fahrraddiebstähle könnte vermieden werden, wenn die Radler diese einfache Regel beherzigen würden.
Wenn sich auch durch sachgemäße Aufklärung vieles erreichen läßt, verlangt doch diese Angelegenheit nach einer politischen Maßnahme.
Die taz ist als eine kritische Zeitschrift bekannt; der Artikel über den Poller jedoch ließ jegliches kritische Engagement vermissen. Zur Lösung des Pollerproblems erscheint uns ein radikales Umdenken im Straßenbau unumgänglich. Zumal, wie Sie berichten, die Verpflanzung einer größeren Anzahl von Pollern im Viertel geplant ist, wäre darüber nachzudenken, ob den traditionellen einstämmigen Pollern nicht der Poller in U-Form vorzuziehen sei. Bremen käme damit seinem Selbstverständnis als fahrradfreundliche Stadt nach. Ganz von selbst aber wird hier nichts passieren. Es sollte die Aufgabe einer politisch ambitionierten Lokalzeitung sein, die Öffentlichkeit für solche Probleme zu sensibilisieren.
Ralf Grötker,
Ontologische Praxis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen