■ Standbild: Versatzstückelt
„Tatort“, So., 20.15 Uhr, ARD
Von hinten ist die Geschichte schnell erzählt: Mann liebt Frau, sie erwartet ein Kind von seinem Kompagnon, Mann bringt erst den Kompagnon, dann die Frau um. Für anderthalb Stunden schien das den Autoren ein bißchen dürftig, also mußte Staffage her: eine Klinik, in der die Frau aus unerfindlichen Gründen festgehalten wird. Ein Klinikchef (gierig und reich), der Gelder in die Schweiz verschiebt. Ein rauschgiftsüchtiger Pfleger, der Bremsleitungen durchschneidet. Ein Ehemann (Rechtsanwalt, reich), der am Schluß als der ganz Böse entlarvt wird. Da das immer noch nicht reicht, wird noch schnell ein ganz anderer Mordfall mit hineinverwoben: Ein Mörder mit reichem (!) Vater soll von einem Winkeladvokaten durch ein gekauftes Alibi entlastet werden. Das Alibi wird geliefert von einer Jurastudentin, die mindestens fünf Jahre älter aussieht als die Kommissarin (dafür kann se aber doch nu wirklich nix, die eine hat's, die andere nich... grüßt die säzzerin). Nachdem das Geflecht der Reichen so ordentlich durchgequirlt wurde, fehlte noch etwas Spektakuläres. Auch da hatte das Drehbuchduo Stein von Kamienski/Engelken eine Idee, die aus dem „Handbuch für unlogische und unwahrscheinliche Handlungsverläufe“ zu stammen scheint: Der Mord an der Ehefrau findet erstens in der Wohnung des Hauptkommissars statt, zweitens mit dessen Dienstwaffe und drittens getarnt als Selbstmord. Soll doch mal einer kommen und versuchen, da noch was draufzusetzen.
Wenn es schon hingenommen werden muß, daß der Kommissar im deutschen Krimi das künftige Mordopfer zufällig am Straßenrand aufsammelt, warum schmuggelt er die aus der Klinik Geflüchtete dann erst an der Polizei vorbei zu sich nach Hause, um sie später doch der Klinik wieder auszuliefern? (Did you ever make any mistake, darling? d. s.) Völlig realitätsfern aber wird die Story, wenn der Assistent Ballauf in die Klinik geht, sagt „Ich brauch' einen Job“ und sofort als Pfleger eingestellt wird – und das angesichts der derzeitigen Massenarbeitslosigkeit!
Kurzum: Dieser ganze „Tatort“ bestand aus lauter auswechselbaren Versatzstücken, die unter einer handwerklich guten Regie (Ilse Hofmann) zu einer Unterhaltung ohne Risiken und Nebenwirkungen zusammengefügt wurden. (Wenn du es besser kannst, dann schreib doch mal ein nettes Drehbuch. d.s.) Roswitha Seidel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen