: Das Ende einer Männerfreundschaft in Nigeria
■ Staatschef Abacha zieht alle Register, aber seine Tage scheinen gezählt
Nach zwei Monaten Streiks, Demonstrationen, Straßenschlachten und Verhaftungen deutet sich im Streit zwischen der nigerianischen Opposition und dem Militärregime unter General Sani Abacha kein Ausweg an. Abachas Kontrahent Moshood Abiola, ein Multimillionär, der höchstwahrscheinlich die annullierten Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni 1993 gewann, hatte sich an ihrem ersten Jahrestag zum rechtmäßigen Präsidenten des Landes erklärt. Seitdem stehen sich Regime und Opposition mit, wie es scheint, unvereinbaren Positionen gegenüber.
General Abacha stammt aus dem Norden des Landes und gehört den Haussa-Fulani an, die die Mehrheit im Offizierskorps der nigerianischen Armee stellen. Schon bei dem Putsch von 1983, der das Ende der letzten Zivilregierung Nigerias bedeutete, wurde ihm eine Schlüsselrolle zugeschrieben. Auch bei dem Putsch 1985, der das Regime von General Muhamed Buhari beendete, war seine Handschrift zu erkennen. Beobachtern galt er als Verbindungsmann zwischen Buharis Nachfolger, General Ibrahim Babangida, und der Armee. Im November letzten Jahres beschloß Abacha dann, die Dinge nicht mehr nur als Verteidigungsminister in die eigene Hand zu nehmen.
Das Verhalten Abiolas muß General Abacha als persönliche Herausforderung empfunden haben, denn er und Abiola kennen sich recht gut. An den Möglichkeiten, die ihm seine Machtübernahme im November 1993 boten, ließ Abacha den Wahlsieger in Form von Konzessionen an dessen Ölfirma teilhaben. Seit Abiola den Sessel des Präsidenten öffentlich für sich selbst reklamiert, ist es mit der „Männerfreundschaft“ zwischen dem General und dem Geschäftsmann vorbei.
So mußte Abiola im Knast von Nigerias Hauptstadt Abuja am 22.August seinen 57. Geburtstag begehen. Nicht nur gegenüber seinem Kontrahenten hat General Abacha das gesamte Register repressiver Maßnahmen, das unterhalb der Schwelle des Ausnahmezustandes zur Verfügung steht, ausgeschöpft. Zeitungen sind geschlossen, eine kaum abzuschätzende Zahl von Oppositionellen ist inhaftiert, renitente Gewerkschaften müssen im Untergrund weiterarbeiten.
Diesmal ist die Situation für die Junta jedoch schwieriger als früher. Nachdem der frühere Führer Biafras, Chief Emeka Odumegwu- Ojukwu, zu politischer Ost-West- Zusammenarbeit in Nigeria aufrief, arbeiten die im Südosten beheimateten Ibo (oder Igbo) mit den Yoruba des Südwestens zusammen. Ein „Council for Unity and Understanding“ (CUU) wurde gebildet, das zwar 1992 verboten wurde, aber trotzdem großen Einfluß auf die politische Willensbildung innerhalb der Partei Abiolas nahm. Auch große Teile des von Hunderten kleiner Volksgruppen besiedelten „Middle Belts“ stehen zur Demokratiebewegung. Sogar in Kaduna und Kano, den größten Städten im feudalistischen Norden des Landes, hat der Muslim Abiola einen gewissen politischen Rückhalt.
Auch die Judikative arbeitet nicht mehr mit der alten Zuverlässigkeit für die Interessen der Zentralgewalt. So ist der federführende Richter im Abiola-Prozeß zurückgetreten. Nachdem Teile der Gewerkschaften und ihr Dachverband aufgelöst wurden, prüfen Richter jetzt die Wahrung der Menschenrechte bei der Inhaftierung der Gewerkschaftsführung, statt, wie früher, die Schritte der Abacha-Administration juristisch zu untermauern. Große Teile der nigerianischen Verwaltungen haben sich inzwischen ebenfalls gegen Abacha gestellt, was dieser mit Entlassungen quittierte.
„Selbst innerhalb des Militärs breitet sich die Überzeugung aus, daß es notwendig ist, eine echte demokratische Struktur zu schaffen“, so Abacha selbst in einer kürzlich gehaltenen Fernsehansprache. Seine Tage als Regierungschef Nigerias scheinen gezählt, denn der Fahrplan, den er selbst für eine Demokratisierung erstellt hatte, liegt in naher Zukunft. Dies verschafft dem General zumindest die Möglichkeit eines ehrenvollen Rücktritts. Er wird darüber hinaus versuchen, den politischen Einfluß der Militärs auf künftige Regierungen Nigerias zu sichern. Nicht nur deshalb scheint es zweifelhaft, daß eine zivile Regierung stabilere Verhältnisse schaffen kann. Uwe Kerkow
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen