: „So viele Bäume wie ich hat kein Grüner gepflanzt“
■ Ein CDU-Landrat in Thüringen verhandelt schon: Er findet die Grünen „okay“
Landrat Martin Kaspari seufzt: „Ich habe alles doppelt.“ Seit dem 1. Juli erst gibt es den Wartburgkreis, eine Fusion des ehemaligen Kreises von Bad Salzungen mit dem von Eisenach. Zusammen haben sie 198.000 Einwohner. Kaspari muß noch zwischen seinen beiden Büros pendeln. Das wird der ehemalige Chefarzt und CDU- Politiker schleunigst ändern.
Er ändert gerade auch die Politik seiner Partei. Gegen anfängliches Murren der eigenen Basis will der Schwarze mit Bündnis 90/Die Grünen zusammenarbeiten. „Die Grünen“, sagt Kaspari, „die kenne ich gut.“ Die SPDler scheint er auch nicht schlecht zu kennen. Auf die ist er am Mittwochvormittag gar nicht gut zu sprechen. Der Lafontaine mit seinen „Blockflöten“! Die hätten doch, jedenfalls in seinem Landkreis, die ehemaligen SEDler in ihren eigenen Reihen: „Das trifft mich tief.“
Die hiesige SPD habe gleich nach der Wahl gesagt, sie wolle nicht mit der CDU reden. Das ist für Kaspari dann ein einfaches Rechenexempel geworden: „Die PDS war für uns nie ein Thema, die SPD will nicht, bleiben nur die Grünen.“ Das Dreißig-Punkte-Papier, über das gerade – „ohne Zeitdruck, dazu ist das viel zu wichtig“ – verhandelt wird, sieht er optimistisch: „Wir können uns bei 27 bis 28 Punkten einig werden.“ Wo nicht, „da bleiben wir schwarz und die Grünen grün“.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Christa Wolff, ist da vorsichtiger. Sie sieht ein paar mehr unklare Punkte als der Landrat, ehe „die lockere Verbindung“ zustande kommen kann. Aber: „Man soll Schwarz-Grün nicht gleich verurteilen.“ Es komme auf kommunaler Ebene „auf den Partner an“. Mehr möchte sie vor der Mitgliederversammlung am 23. September lieber nicht sagen, denn da entscheidet die Basis.
Die Grünen ließen vorab wissen, daß sie keine Stellen besetzen wollen, Kaspari findet das anerkennenswert. Sie bekommen dafür einen der CDU-Sitze im Kreisausschuß. Damit könnten sie bei wichtigen Entscheidungen „das Zünglein an der Waage“ spielen: „Das ist eine Sache des Vertrauens.“ Und gerade diese Qualität vermißt der Landrat, der als Arzt seinen Landkreis kennt „wie ein Taxifahrer“. Der parteiübergreifende Konsens sei immer geringer geworden, „nachdem die Berater aus dem Westen gekommen sind“. Auf einmal sei die SPD „gegen alles“ gewesen, habe sich mit allen angelegt von den Bauern bis zu den Eltern der Schulkinder. Die Grünen aber seien „okay“ geblieben und hätten auch, ebenso wie die CDU, keinen Fraktionszwang: „Da sind wir ganz stolz drauf.“
In die Politik ist Kaspari gleich nach der Wende gekommen, zusammen mit einigen Freunden, damals „alle um die Fünfzig“: „Wir wollten die Entwicklung mitgestalten, und wir wollten unbelastete Leute.“ Vorher sei er kein Widerstandskämpfer gewesen, habe „nicht einmal den Mut gehabt, in die CDU zu gehen“.
Aber er ist in der 500-Meter- Sperrzone direkt an der Grenze aufgewachsen. Und das bewegt ihn heute noch zum Zorn auch gegen die Kommunisten im Westen, die ignorant gewesen seien: „Ich habe ein Mädchen mit 16 Schüssen im Rücken gesehen.“ Und auch, wie ein Soldat einen durch eine Mine abgerissenen Fuß nebst Stiefel davontrug. „Da war der Sozialismus für mich out.“ Einmal habe er gesagt, das sei ja „wie in einem Indianerreservat“ und dafür eine Nacht im Gefängnis verbracht.
Er hat sich zu DDR-Zeiten auf die Natur verlegt, zusammen mit der Familie im Jagdverein Eichen gezogen und gepflanzt und Bucheckern zum Auskeimen gesammelt: „So viele Bäume wie ich hat noch kein Grüner gepflanzt.“ Im thüringischen Teil des Biosphärenreservats Rhön will er trotzdem die Interessen der Menschen gewahrt wissen. Die laufen in den Dörfern gerade Sturm gegen die Grünen und deren Vorstellungen von Landschaftsschutz. Kaspari: „Die Menschen wollen Infrastruktur und Straßen.“ Und es müssen Arbeitsplätze her, denn vor allem durch die Stillegung der Kali- und Salzförderung ist die Arbeitslosenquote hoch. Da richtet sich seine Kritik gegen die Westunternehmen, die von der Wiedervereinigung profitiert haben und die Besserwessis in der Politik. Wegen der Stahlindustrie in Rheinhausen habe sogar der Bundestag getagt, während sich um die Stillegung der thüringischen Kaligruben kaum jemand geschert habe. Für die Zusammenarbeit mit den Grünen setzt Kaspari vor allem auf den sozialen Bereich: „Da haben wir völligen Konsens. Glaubensfragen wie Nato und Blauhelmeinsatz haben wir auf kommunaler Ebene sowieso nicht zu verhandeln.“ Heide Platen
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