: Es bleibt ein Sicherheitsrisiko
Mostar: Der Anschlag auf EU-Administrator Hans Koschnick zeigt, daß nicht die gesamte Führung der bosnischen Kroaten den Frieden will ■ Von Erich Rathfelder
Berlin (taz) – Zwar sind bisher weder die Täter bekannt noch die Verantwortlichen bloßgestellt. Und doch gibt es einen Tag nach dem Anschlag auf Hans Koschnick, den EU-Administrator der bosnischen Stadt Mostar, kein Rätselraten über die Herkunft der Täter mehr. Nicht nur die Sicherheitskräfte der Europäischen Union gehen davon aus, daß „rechtsradikale Kroaten“ den Anschlag durchgeführt haben. Auch die politische Führung der westherzegowinischen Kroaten hat das Attentat inzwischen verurteilt und eine gründliche Untersuchung versprochen. In der Nacht zum Sonntag war um 0.30 Uhr Ortszeit eine Panzerfaust-Granate auf das Hotel „Ero“, wo Hans Koschnick wohnt, abgefeuert worden. Ein Zimmer wurde zerstört. Koschnick blieb unverletzt, weil er sich während dieser Zeit noch im Restaurantbereich des Hotels befunden hatte.
In einem Kommuniqué der kroatischen Nachrichtenagentur HINA heißt es, der Anschlag von Mostar sei „ein Akt der Gewalt gegen den Frieden, gleich, wer ihn beging“. In Sarajevo bewerteten sowohl bosnische Politiker als auch die Öffentlichkeit das Attentat derweil als „Anschlag auf die kroatisch-muslimische Föderation“. In der Tat scheint das Attentat mehr zu sein als die Aktion eines Einzeltäters: Schon seit Wochen steigt die Spannung in der zwischen Kroaten und Muslimen geteilten Stadt. Auf der Westseite von Mostar, wo etwa 35.000 Menschen vor allem kroatischer Nationalität leben, haben extremistische Kräfte immer wieder versucht, den durch Koschnick und die EU-Administration vorgeschlagenen Weg, buchstäblich „Brücken zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern“ zu bauen, zu sabotieren.
Die Extremisten, unter ihnen stadtbekannte Kriminelle wie der bosnisch-kroatische Kommandeur Tuta, versuchten, selbst die westherzegowinische Führung unter Druck zu setzen.
So entging Krešimir Žubak, der Präsident der kroatisch-bosnischen Koalition und Ex-Präsident der selbsternannten „Kroatischen Republik Herceg-Bosna“, vor sechs Wochen nur knapp dem Tode. Nach kroatischen Angaben konnte Žubak nur dank des Einsatzes kroatischer Sicherheitskräfte aus den Händen der Extremisten befreit werden.
Der Krieg zwischen Kroaten und Muslimen, der am 9. Mai 1993 begonnen und mit dem Washingtoner Abkommen, der Bildung der muslimisch-kroatischen Föderation, im Februar dieses Jahres beendet wurde, ist von kroatischer Seite aus mit dem Ziel geführt worden, den Stadtteil westlich des Flusses Neretva zur „kroatischen Hauptstadt des Staates Herceg- Bosna“ zu machen. West-Mostar, so Mate Boban, der Ex-„Präsident“ Herceg-Bosnas, sei eine kroatische Stadt. Deshalb wurden die meisten muslimischen Bewohner „ethnisch gesäubert“, das heißt in den Ostteil der Stadt vertrieben.
Auch nach dem Ende des Krieges der bosnischen Kroaten und Muslime hat die Führung von Herceg-Bosna die staatlichen Strukturen ihres „Staates“ weiter ausgebaut. Das stößt sich natürlich mit der von Hans Koschnick betriebenen Politik, die Spaltung der Stadt zu überwinden. Während der EU- Administrator mit der muslimisch dominierten Stadtverwaltung des Ostteils, wo 55.000 Menschen leben, bislang wenig Schwierigkeiten hatte – die Behörden dort haben ein großes Interesse daran, die Infrastruktur und die Zugänge zu ihrem Stadtteil wiederherzustellen –, begegnete ihm auf der Westseite von vornherein zäher Widerstand. Zwar gelang es Koschnick dank Zagreber Unterstützung, mit Versprechungen über die wirtschaftliche Entwicklung Teile der westherzegowinisch-kroatischen Elite für seinen Kurs des Ausgleichs zu gewinnen. Nicht zuletzt dürften auch die finanziellen Möglichkeiten, die manche aus der kroatischen Führungsmannschaft in der Zusammenarbeit mit der EU-Administration wahrnehmen wollten, zu diesem Kurswechsel beigetragen haben.
Doch schon die Wahl von Kriegstreibern – nach Ansicht der bosnischen Regierung „Kriegsverbrecher“ – wie Darjio Kordić und Božo Rajić zu Vorsitzenden des bosnischen Zweiges der kroatischen Regierungspartei HDZ im Juli dieses Jahres zeigte an, daß die politische Basis der Westherzegowina-Kroaten keineswegs bereit ist, so mir nichts, dir nichts die Fahnen zu wechseln. Angesichts dessen sind weitere Provokationen durchaus möglich. Das Verhalten der EU-Administration, keine eigenen Polizeikräfte in Mostar zu stationieren und lediglich Polizeiberater in beiden Stadthälften einzusetzen, war anfangs verständlich. Es könnte nun jedoch sein, daß der Druck der Ereignisse für ein Umdenken im Sicherheitsbereich sorgt.
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