Standbild: Geliftet
■ "Vormals Nagel & Kaemp"
„Vormals Nagel & Kaemp“, Do, 22 Uhr, N3
„Für paar Pfennige wirste zum Krüppel gemacht“, ließ Willi Bredel in den 20er Jahren seinen revolutionären Helden im Roman „Maschinenfabrik N&K“ aufstöhnen. Martin Wirtz, damals Bredels Kollege in der Hamburger Kranfabrik Nagel & Kaemp, kann sich nun, über neunzigjährig, an solche Drangsal nicht erinnern. Ja, gelesen habe er das Buch schon, aber so sei das doch nicht gewesen, erzählte er Michael Batz und Theo Janssen in „Vormals Nagel & Kaemp“. Von wegen also revolutionäre Romantik — N&K, das war wie eine große Familie, das war das Gefühl, gemeinsam elektrische Kräne für die Hafenkais in aller Welt zu nieten. Bis 1968, als der zeitweilig 1.200 Beschäftigte zählende Betrieb abgewickelt wurde, gab es hier kein Fließband, von Entfremdung keine Spur, erzählen die Zeitzeugen in der betulichen Hommage. Seit 1980, als Theatermacher die hehren Industriekathedralen für ihre Zwecke wiederentdeckten, beobachtete Batz die Transformation des 60.000-Quadratmeter-Geländes zur Kulturfabrik.
Doch blicken die Autoren nun weniger auf die alternative Eroberung durch die Künste zurück, sie verschränken Oral History mit Inszenierungen auf dem Gelände, die den Ort selbst zum Sujet machen. Damit deuten sie die Verwandlung der Produktionsformen und Produkte an, täuschen aber auch darüber hinweg, daß auf der chaotischen Spielwiese inzwischen immer weniger produziert wird. Mehr und mehr wird sie zum Veranstaltungsort, der, von Wohnungsbau immer enger umzingelt, seinen Werkbankcharakter zu verlieren droht. Ironie des Schicksals, daß Kampnagel nun Thema einer Kammeroper wird, in der man auf Blechen geigt — schön und traurig. Und vorbei die Aufbruchszeit. Julia Kossmann
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