: Väter an der Krabbelstraße
■ Im Kurs lernen Väter ihr Baby erkennen und etwas mit ihm anzufangen / Babys lernen spielend auch allerhand
Im angenehm warmen Übungsraum ist eine Krabbelstraße aufgebaut. Nackte Babys krabbeln über Fußabtreter und Teppiche verschiedenster Arten. Mal ist es für Babys Beinchen ein wenig härter, dann weicher. Die Babys absolvieren gerade das Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP), und ihre Väter üben auf ihre Art. Während die Babys hart-und-weich erfahren, heißt die Übung für die Väter: „Guck, was dein Kind macht und wie es sich fühlt.“
Ihre Aufgabe als Kursleiterin sieht Hedwig Ringendahl,Betreuerin des Väterkurses beim Deutschen Roten Kreuz, unter anderem darin, die Väter stärker auf ihr Kind aufmerksam zu machen, und sich zu fragen: Was ist das für ein Mensch? „Die Väter können insbesondere die grobmotorischen Elemente verstärken“, sagt Ringendahl. Das heißt, sie unterstützen die selbständigen Bewegungen des Kindes. Sie hat einer Untersuchung zum Bespiel entnommen, daß Frauen die Kinder enger am Körper halten würden, Männer hingegen weiter entfernt. Daraus schließt sie, daß die Männer generell „stärker auf die autonome Entwicklung des Kindes“ achten würden.
Das PEKiP-Programm ist ein Spiel- und Bewegungsprogramm für Kinder im ersten Lebensjahr. Der Prager Kinderarzt und Psychologe Jaroslav Koch, Gründer des Programms, legt den Eltern nahe, daß sie sich auch im ersten Lebensjahr spielerisch mit dem Baby beschäftigen sollen. Die Idee zum Konzept zu machen ist relativ neu. „Die meisten PEKiP-Gruppen gibt es im Ruhrgebiet. In Bremen ist das Deutsche Rote Kreuz bislang der einzige Anbieter“, sagt Kursleiterin Rosa Selent-Weigeldt, Sozialpädagogin von Beruf. Seit zwei Jahren finden die Kurse beim DRK regen Zuspruch. Früher habe man seine Erfahrungen im Kreis einer großen Familie gesammelt. Heute stünden die meisten Eltern ohne Vergleichsmöglichkeiten da, gibt Selent-Weigeldt zu bedenken. Insbesondere die Frauen kämen mitten aus dem Berufsleben, und säßen dann plötzlich allein mit dem Baby zu Hause, daher suchten sie in diesen Kursen auch Kontakt zu Frauen in gleicher Situation. Aber auch die Väter sind verunsichert: Was kann das Baby schon machen, und ab wann darf es sitzen? Sie suchen auch Austausch mit anderen jungen Vätern, die für ihr Kind mehr sein wollen, als nur ein Sonntagsvater.
„Für Väter ist es eine Möglichkeit den Kontakt zu ihrem Baby emotional zu vertiefen“, sagt Ingelore Rosenkötter, Sprecherin des DRK. Außerdem sei es ein Raum für die Väter, wo sie mal allein sind mit dem Kind. Meist machen sie die Erfahrung, daß die Mütter sich einmischen, sobald das Kind anfängt zu jammern. Im Kurs „dürfen“ sie allein damit fertig werden, und das schaffen sie. Die Väter treffen sich zehn Vormittage jeweils für eineinhalb Stunden gemeinsam mit ihren Babys und einer Kursleiterin. Die Kinder in den Väterkursen sind in der Regel zwischen 5-6 Monate alt, in einem Alter, in dem sie die Mutterbrust längere Zeit entbehren können.
Die Babys werden für das „Programm“ entkleidet, damit sie in ihrer Bewegunsfähigkeit nicht eingeschränkt sind. Die Väter behalten ihre legere Freizeitkleidung an. Dann geben sie ihrem Kind zum Beispiel ein Spielzeug. Die Kinder beschäftigen sich damit, oder auch nicht. Es ist kein Turnunterricht, denn jedes Kind hat seinen eigenen Rhythmus oder sein eigenes Interesse. Es kann auch vorkommen, daß der Vater das Kind die ganze Zeit rumtragen muß, weil es nörgelt. „Auch gut“, sagt da Selent-Weigeldt. Es ginge nämlich nicht darum, die Kinder zu be-spielen, sondern „die Selbständigkeit des Kindes zu fördern“, sagt sie. Dazu gehöre auch die Kommunikationsebene: Was will das Kind?. Vivianne Schnurbusch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen